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Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen

Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen

Titel: Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen
Autoren: Libba Bray
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dabei fast an me i nem Ohr.
    Ja, ja, ja.
    Nein. Nicht wirklich. Nicht verbunden mit dieser heuc h lerischen Kreatur. Die Macht würde nie mein sein. Der dunkle Geist würde mich kontrollieren. Nein, nein, nein. Lass ihn gewinnen. Schließ dich mit ihm zusammen. Ich habe es satt, Entscheidungen zu treffen. Es macht mich schwer. So schwer, dass ich für immer schlafen möchte. Lass Circe gewinnen. Verlass deine Familie und deine Freunde. Treibe stromabwärts.
    Nein.
    Mit einem Mal scheint der dunkle Geist schwächer zu werden. Du musst dich selbst kennen, musst wi s sen, was du willst. Das hatte Mutter zu mir gesagt. Was ich will … was ich will …
    Ich will zurück. Und das Ungeheuer kommt mit. Plöt z lich schrumpft London zu einer Nadelspitze, unerreichbar. Ich ziehe das dunkle Etwas mit mir fort, zurück zu dem Berggipfel, zurück zu der Grotte und den Kristallen.
    Gekreisch und Geheul, die grässlichen Schreie der Ve r dammten branden mir entgegen. »Du hast uns betrogen ! «
    Das dunkle Etwas dehnt sich zu einer grauenha f ten, schäumenden Wand, die bis zum Himmel reicht. Nie habe ich etwas Entsetzlicheres gesehen und e i nen Moment lang bin ich vor Furcht wie gelähmt. Die Skeletthände schließen sich fest um meinen Hals, drücken zu. In panischer Angst setze ich mich zur Wehr, versuche mithilfe der Magie, den dunk l en Geist an seiner empfindlichsten Stelle zu treffen. Immer wieder kommt er zurück und mit jedem Mal raubt er mir mehr und mehr von meiner Energie.
    Wieder legen sich die Hände um meinen Hals, doch ich habe kaum noch Kraft, um mich zu wehren.
    »Es ist so weit. Liefere dich mir aus.«
    Ich kann nicht denken. Kann kaum atmen. Der Himmel über uns ballt sich grau und schwarz zusammen. Hier h a ben wir gesessen und Wolken im Blau beobachtet. Blau wie das Seidenkleid meiner Mutter. Blau wie ein Verspr e chen. Eine Hoffnung. Sie ist zurückgekommen, um mich wiederzusehen. Ich kann sie nicht dem hier überlassen.
    Die schwarzen, kreisenden Pupillen kommen n ä her. Der Geruch nach Fäulnis steigt in meine Nase n löcher. Tränen brennen in meinen Augen. Ich habe nichts mehr übrig als diese winzige Hoffnung und ein Flüstern.
    »Mutter … ich verzeihe dir.«
    Der Griff lockert sich. Die Augen des Ungeheuers we i ten sich, der grässliche Mund klappt auf. Seine Macht schwindet. »Nein!«
    Ich fühle meine Lebenskraft zurückkehren. Meine Stimme festigt sich, die Worte verselbstständigen sich. »Ich verzeihe dir, Mutter. Ich verzeihe dir, M a ry Dowd.«
    Das Ungeheuer windet sich unter Gebrüll. Ich schlüpfe aus seinem Griff. Es verliert den Kampf, beginnt zu schrumpfen. Es heult vor Schmerz, aber ich höre nicht auf. Ich wiederhole es wie ein Mantra, während ich einen Stein packe und die erste Rune zertrümmere. Sie zersplittert in einem Hagelschauer aus Kristallen und ich nehme mir die zweite vor.
    »Haiti Was tust du da?«, kreischt es.
    Ich zertrümmere die dritte und die vierte Rune. Für einen Augenblick wechselt das Ungeheuer seine Gestalt, wird meine Mutter, die zitternd und schwach auf einem Flecken vertrockneten Grases sitzt.
    »Gemma, bitte hör auf. Du tötest mich.«
    Ich zögere. Sie wendet mir ihr sanftes, tränenüberströ m tes Gesicht zu. »Gemma, ich bin ’ s. Deine Mu t ter.«
    »Nein. Meine Mutter ist tot.«
    Ich zertrümmere die fünfte Rune und falle rüc k wärts auf die harte Erde. Mit einem wilden Aufschrei entlässt der dunkle Geist die Seele meiner Mutter aus seinem Griff. Er schrumpft in sich zusammen, wird zu einer dünnen Säule, die sich stöhnend windet, bis sie vom Himmel aufgesogen wird und alles still ist.
    Ich liege bewegungslos.
    »Mutter?«, sage ich. Im Grunde erwarte ich keine An t wort und erhalte auch keine. Jetzt ist sie wirklich fort. Ich bin allein. Und irgendwie ist es gut so.
    Die Mutter, an die ich mich erinnere, war gewisserm a ßen ebenso eine Illusion wie die Blätter, die wir auf uns e rem ersten Ausflug in das Magische Reich in Schmetterli n ge verwandelten. Ich werde mich von ihr lossagen müssen, um die Mutter zu a k zeptieren, die ich gerade erst entdecke. Eine Mutter, die fähig war, einen Mord zu begehen, die aber den dunklen Geist so lange wie möglich bekämpft hat, um zu r ückzukommen und mir zu helfen. Eine verschrec k te, hilflose Frau und ein machtvolles Mitglied eines uralten Geheimbunds. Sogar jetzt will ich das nicht wirklich wah r haben. Es wäre ja so leicht, mich in die Sicherheit jener Illusionen zu flüchten und für immer
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