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Der Gefangene

Titel: Der Gefangene
Autoren: John Grisham
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einen halben Liter Wodka. Da er kaum noch Zähne hatte, war seine Aussprache ohnehin nicht besonders deutlich, sodass seine schwere Zunge nicht weiter auffiel.
    Die Story verlor allmählich an Aktualität, und schließlich trat die Gruppe, die aus Ron, Annette, Mark, Dennis, Elizabeth und Sara Bonneil bestand, die Heimreise an. Dabei wollte Ron auf gar keinen Fall nach Ada zurück.
    Er wohnte bei Annette. Ein schwieriger Eingewöhnungsprozess begann. Die Reporter verschwanden allmählich.
    Unter Annettes ständiger Aufsicht nahm er gewissenhaft seine Medikamente und stabilisierte sich. Er schlief viel, spielte Gitarre und träumte davon, ein berühmter Sänger zu werden. Sie erlaubte in ihrem Haus keinen Alkohol, und er ging nur selten aus.
    Die Angst, verhaftet und wieder ins Gefängnis gesteckt zu werden, verzehrte ihn. Instinktiv warf er immer wieder Blicke über die Schulter. Bei jedem lauten Geräusch schreckte er zusammen. Ron wusste, dass die Polizei ihn nicht vergessen hatte. Sie glaubte immer noch, dass er irgendwie in den Mord verwickelt war. Wie die meisten in Ada.
    Er wollte weg, hatte aber kein Geld. Er war nicht in der Lage zu arbeiten und sprach auch nie davon, sich einen Job zu suchen. Seit fast zwanzig Jahren hatte er keinen Führerschein mehr, und er war auch nicht besonders daran interessiert, die Theorie zu lernen und Prüfungen zu machen.
    Annette stritt sich mit der Sozialversicherungsbehörde um die Nachzahlung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Zahlungen waren eingestellt worden, als er ins Gefängnis gekommen war. Schließlich setzte sie sich durch und erhielt eine Einmalzahlung von sechzigtausend Dollar. Außerdem bekam er seine monatliche Rente von sechshundert Dollar wieder, die ihm zustand, bis er seine Erwerbsfähigkeit wiedererlangte, womit kaum zu rechnen war.
    Plötzlich fühlte er sich wie ein Millionär und wollte eine eigene Wohnung. Außerdem hielt ihn nichts mehr in Ada und Oklahoma. Annettes einziges Kind, Michael, lebte in Springfield, Missouri. Daher wurde beschlossen, dass Ron dorthin ziehen sollte. Für zwanzigtausend Dollar kauften sie einen neuen, möblierten Trailer mit zwei Schlafräumen, den Ron bezog.
    Obwohl alle stolz waren, fragte sich Annette, wie Ron allein zurechtkommen würde. Als sie schließlich abfuhr, saß er hochzufrieden in seinem neuen Liegesessel und sah fern. Als sie drei Wochen später wiederkam, um nach ihm zu sehen, saß er immer noch in seinem Sessel. Um ihn herum stapelten sich deprimierend viele leere Bierdosen. Wenn er nicht schlief, trank, telefonierte oder Gitarre spielte, trieb er sich an einem Wal-Mart in der Nähe herum, von dem er Bier und Zigaretten bezog. Aber nach einem Zwischenfall wurde er aufgefordert, sich von dem Gelände fernzuhalten. Während dieser aufregenden Tage, in denen er ganz sich selbst überlassen war, entstand die fixe Idee, dass er alles Geld zurückzahlen wollte, das man ihm im Lauf der Jahre geliehen hatte. Geld zu sparen schien ihm absurd. Also fing er an, es zu verschenken. Spendenaufrufe im Fernsehen rührten ihn zutiefst. Hungernde Kinder, Evangelisten, denen der Verlust ihres Amtes drohte - allen schickte er Geld. Seine Telefonrechnungen waren astronomisch. Er rief Annette und Renee an, Mark Barrett, Sara Bonnell, Greg Wilhoit, die Anwälte der Behörde für die Strafverteidigung Mittelloser, Richter Landrith, Bruce Leba, sogar einige Gefängniswärter. Normalerweise war er guter Stimmung und froh, frei zu sein, aber gegen Ende jeden Gesprächs fing er an, von Ricky Joe Simmons zu schwadronieren. Dass Glen Gores DNA am Tatort gefunden worden war, überzeugte ihn nicht. Simmons sollte unverzüglich verhaftet werden, weil er »Debra Sue Carter am 8. Dezember 1982 in ihrer Wohnung in der 1022 1/2 East 8th Street vergewaltigt, sexuell genötigt, mit einem Gegenstand vergewaltigt und gewaltsam zum Analverkehr gezwungen und ermordet hat!« Dieses höchst konkrete Ansinnen wurde in jedem Gespräch mindestens zweimal erwähnt.
    Merkwürdigerweise rief Ron auch Peggy Stillwell an. Zwischen beiden entwickelte sich am Telefon eine herzliche Beziehung. Er versicherte ihr, dass er Debbie nie begegnet sei, und sie glaubte ihm. Achtzehn Jahre nach dem Tod ihrer Tochter war sie immer noch nicht darüber hinweg. Sie gestand Ron, dass sie seit Jahren den Verdacht nicht loswerde, dass der Mord nicht wirklich aufgeklärt sei.
    Im Allgemeinen schlug Ron einen Bogen um Kneipen und Frauen von zweifelhaftem Ruf, aber einmal fiel er
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