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Der Fluch Des Bierzauberers

Der Fluch Des Bierzauberers

Titel: Der Fluch Des Bierzauberers
Autoren: Guenther Thoemmes
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entzündete eine weitere Kerze und schaute sich um. Es war alles am Platz, wie er es in aller Eile vorbereitet hatte. Ein kleines Bierfass stand dort, in der Ecke ein paar Eimer Wasser, in der anderen Ecke zwei Eimer – mangels einer Latrine oder eines ›stillen Örtchens‹ – für ihre Ausscheidungen. Ein stabiler Leiterwagen, mit dem ansonsten das Eis aus dem Wald geholt wurde, würde ihnen sicher gute Dienste leisten. Etwas Stroh und ein paar alte Decken lagen auch herum. Brot, Käse und Wurst befanden sich im Korb. All das, wonach er bei ihrer Flucht in aller Schnelle in der Küche gegriffen hatte; auf jeden Fall war es fürs Erste genug.

    Einen Beutel voll mit Reichstalern hatte er auch dabei. Die große Zeit der Falschmünzer, der Wipper und Kipper, wie die Fürsten genannt wurden, die ihr Silber mit wertlosem Kupfer gestreckt, ihr eigenes Volk betrogen und die größte Inflation aller Zeiten verursacht hatten, ging trotz dieses Krieges ihrem Ende entgegen. Anscheinend waren die Fürsten durch den Krieg auch auf anderen Wegen reich geworden. Sein Geldbeutel mit Talern aus echtem Silber würde also für eine gute Weile vorhalten.

    Jetzt, wo er sich mit den Jungen halbwegs sicher fühlte, begann er sich um Lisbeth und die Mädchen große Sorgen zu machen. Heftig gestritten hatten sie am Vorabend, nachdem die Nachricht bekannt gegeben worden war, dass am nächsten Morgen der Sturm losbrechen sollte.

    »Lass uns in den Dom gehen, den anzutasten werden sie nicht wagen«, war Lisbeths Meinung gewesen. Sie glaubte nicht nur fest an Gott und seine Gebote, sondern auch an die Unantastbarkeit einer geweihten Kirche.

    »Aber was, wenn der Dom überfüllt ist und sie uns nicht hineinlassen? Und wie lange müssen wir unter Umständen dort ausharren?« Cord Heinrich Knoll war skeptisch gewesen. Und am Allerwenigsten traute er Tilly und seinen Soldaten. In Göttingen und Neubrandenburg hatten diese sich, den Gerüchten zufolge, einen Dreck um Moral, Anstand oder gar Heiligkeit der Gotteshäuser geschert. Lisbeth war stur geblieben. Und als Knoll früh am Morgen aufgestanden war, waren sie und die Mädchen schon fort gewesen. Der Dom sollte heute übervoll werden …

    Knoll schickte ein Gebet zu Gott für seine Familie.

     
    Er wusste nicht, wie lange sie hier versteckt bleiben mussten, also galt es, sparsam mit den Vorräten umzugehen. Eine kleine Mahlzeit, dann legte er Ulrich schlafen. Aber der Junge weigerte sich, er spürte die Unruhe und die Gewalt um sich herum. Und so sang Knoll ihm mit zitternder Stimme und Tränen in den Augen ein Kinderlied vor, das erst in diesem Krieg entstanden war, nachdem Wallensteins Heer sich mordend und brandschatzend durch Norddeutschland gewälzt hatte: »Maikäfer flieg, dein Vater ist im Krieg, die Mutter ist im Pommerland, Pommerland ist abgebrannt, Maikäfer flieg …«

    Ulrich schlief ein. Die Dämmerung kam und mit ihr die Stille. Es wurde Nacht. Knoll schob behutsam den Riegel beiseite und ging hinaus, einige Schritte in den Wald hinein. Niemand trieb sich hier in der Dunkelheit herum. Obwohl, dunkel konnte man dies nicht nennen, denn der Feuerschein der sterbenden Stadt erleuchtete den Himmel.

    Er kletterte auf einen Baum und blickte hinüber zu den mächtigen Mauern, die doch nicht mächtig genug gewesen waren. Er versuchte, sein Brauhaus zu erkennen, aber alles, was er ausmachen konnte, war, dass alle Häuser dieses Stadtteils, auch die in der Krockentorgasse, anscheinend lichterloh in Flammen standen. Nicht nur seine Brauerei schien zu brennen, sondern auch die gute Stube mit der Bildergalerie seiner Vorfahren. Seine eigene Vergangenheit und die seiner Sippe fielen in diesem Moment offensichtlich den Flammen zum Opfer. Nicht nur Pommerland, auch Magdeburg war abgebrannt. Voller Trauer und Verzweiflung schweifte sein Blick noch einmal zurück auf seine Heimatstadt, auf das untergehende Magdeburg. Er wusste nun wie sich Äneas hatte fühlen müssen, als dieser das brennende Troja hinter sich verließ.

    Er kehrte zurück in die Höhle, verschloss sie sorgfältig, sprach ein Gebet und umarmte seine beiden Söhne. »Wir haben unser Leben, das ist alles, was uns geblieben ist«, flüsterte er den beiden schlafenden Kindern ins Ohr. »Wir werden neu anfangen. An einem anderen Ort.«  

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

4.
    Vier endlose Tage dauerten die Plünderungen und Feuersbrünste noch an. Das kühle, trockene Wetter
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