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Der Fluch der Maorifrau

Der Fluch der Maorifrau

Titel: Der Fluch der Maorifrau
Autoren: Laura Walden
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hältst du von einem Fest? Dir zu Ehren?«
    Das kam so überraschend, dass Anna sich senkrecht im Bett aufsetzte.
    »Du meinst, wir geben einen Ball?«, fragte sie erstaunt und dachte an die rauschenden Feste im Hause Wortemann. Onkel Rasmus hatte nur Söhne, und bei Festen hatte er Anna stets so aufmerksam behandelt wie sonst nie. Die jungen Männer hatten sich darum gerissen, mit ihr zu tanzen. »Meine bezaubernde Nichte«, hatte ihr Onkel sie bei diesen Anlässen stets voller Stolz genannt. Ja, Feste im Hause Wortemann, das waren wirklich die schönsten Erinnerungen an ihre Jugend. In der Villa, in der sonst selten gelacht wurde, herrschte dann in allen Räumen überschäumende Fröhlichkeit.
    »Ja, ich dachte, ich gebe in der Niederlassung von Wortemann & Peters ein Fest für dich. Ich hätte längst schon mal die wichtigen Herren und ihre Gattinnen einladen müssen. Aber so ganz ohne Frau an meiner Seite hätte es mir keine Freude gemacht.«
    Anna schluckte herunter, was ihr auf der Zunge lag, bemüht, jetzt nur an das Fest zu denken - nicht an Hine.
    »Aber ich habe doch gar kein Kleid.«
    »Ach, liebste Anna, es mag dir hier vorkommen wie eine Wildnis, in der es nur rohe Burschen und ungehobelte Goldsucher gibt, aber Dunedin hat auch ein anderes Gesicht. Du hast deine Nase bislang nur noch nicht zur Tür hinausgestreckt. Es gibt vornehme Häuser, die denen von Hamburg in nichts nachstehen. Es gibt beste Geschäfte und auch einen erstklassigen Schneider.«
    »Du meinst, ich kann mir ein neues Kleid machen lassen?«
    »Gleich morgen werde ich dich zu ihm bringen lassen!«
    »Das ist ja wunderbar!«, seufzte Anna und ließ sich verzückt in die Kissen fallen. Es war ja nicht nur die Aussicht auf ein schönes Kleid und ein Tanzvergnügen, das sie glücklich stimmte, sondern auch die Möglichkeit, andere Frauen kennenzulernen und vielleicht eine Freundin zu finden. Dass sie ihre liebsten Freundinnen in Hamburg zurücklassen musste in der Gewissheit, sie niemals wiederzusehen, das war beim Abschied das Schlimmste gewesen.
    Ihr Herz tat einen Sprung bei dem Gedanken, endlich Gleichgesinnte zu finden, denn eines hatten sie alle hier mit Sicherheit gemeinsam: Sie waren aus aller Herren Länder herbeigeströmt, um ihr Glück zu machen, und hatten dafür ihre Heimat aufgegeben.
    »Gibt es denn auch Deutsche?«, fragte sie nun aufgeregt.
    »Einige schon, aber die meisten sind aus England und Schottland. Ich glaube, wir kommen nicht umhin, ihre Sprache zu lernen.«
    »Eine fremde Sprache lernen? Das ist ja aufregend!«, freute sich Anna, die sich von Kindheit an durch Wissensdurst ausgezeichnet hatte.
    »Ich habe schon angefangen, diese Sprache zu erlernen, und wenn du magst, schicke ich Mary einmal die Woche zu dir.«
    »Mary?«
    »Ja, Mary McDowell, die Frau unseres Anwalts, die mich erfolgreich unterrichtet hat.«
    »Das würdest du tun?«
    Anna konnte ihr Glück gar nicht fassen. Ein Fest, neue Freunde und eine fremde Sprache! Im Überschwang der Gefühle fiel sie ihrem verdutzten Mann um den Hals, doch schon, als sie ihn hastig wieder losließ, wusste sie, dass sie einen schweren Fehler begangen hatte. Christians Augen bekamen sofort dieses gewisse Flackern, und er streckte gierig die Hand nach ihr aus. Bevor Anna sich überhaupt zur Wehr setzen konnte, hatte er sie bereits auf den Rücken gezwungen und unter ihr Nachthemd gegriffen. Eine aussichtslose Lage, in der jeder Widerstand zwecklos war. Nur eines nahm sie sich vor: nicht vor Schmerz zu schreien. Er würde es vielleicht missverstehen. Mit zusammengebissenen Lippen ließ Anna seine Zudringlichkeiten über sich ergehen. Und sie dachte nur an das eine: Bitte, lieber Gott, schenke mir ein Kind, ein einziges nur, damit ich das hier nie wieder ertragen muss! Angewidert vernahm sie sein Grunzen und dann einen gedämpften Schrei. Was hätte sie darum gegeben, wenn sie sich hätte die Ohren zuhalten können! Christian war so erregt, dass es eine Sache von Sekunden gewesen war. Als er sich danach zur Seite rollte, tröstete Anna sich mit einem Gedanken, der ihr Herz ein wenig erwärmte: Ich werde ein Kind bekommen.
 
    In jener Nacht erwachte Anna später von einem bekannten Pfeifen draußen auf der Straße. Ihr Herz klopfte sofort bis zum Halse. Hine! Das Zischen wurde lauter. Endlich schreckte Christian neben ihr hoch. Sie hielt die Augen fest geschlossen.
    In dem Glauben, dass seine Frau fest schlief, schlich Christian zu seinem Schemel, zog sich leise an und
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