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Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)

Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)

Titel: Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
Autoren: Ina Jung , Christoph Lemmer
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die Ermittler die passenden Patronenhülsen ein. Ihren zweiten Mord begingen die Täter schon deutlich effektiver. Als sie am 13. Juni 2001 den Schneider Abdurahim Ö. in seinem Atelier töteten – wieder in Nürnberg –, genügten zwei Schüsse in den Kopf. Mord Nummer drei, diesmal war es ein Obst- und Gemüsehändler in Hamburg, folgte nur zwei Wochen später. Wieder hatten die Täter dazugelernt. Diesmal hinterließen sie keine Patronenhülsen mehr. Dasselbe am 29. August 2001 in München-Ramersdorf, wo sie einen weiteren Gemüsehändler in seinem Laden ermordeten, ebenfalls mit zwei treffsicheren Kopfschüssen. »Der Täter nimmt nun die Patronenhülsen mit«, erklärte der Sprecher der Polizei Mittelfranken, Georg Schalkhauser, den Journalisten auf einer überfüllten Pressekonferenz. Am Rande hieß es, die Waffe könnte in einer Plastikhülle gesteckt haben. Einerseits sei das unauffälliger, andererseits würden die Patronenhülsen so erst gar nicht auf den Boden fallen.
    Dass es sich bei den Morden um eine Serie handelte, wussten die Ermittler dagegen schon ab der zweiten Tat. Die Tatwaffe war überall dieselbe – eine Pistole des Typs Ceska 83, Kaliber 7,65 mit Schalldämpfer, hergestellt in Tschechien. Als Wolfgang Geier Chef der Soko Bosporus wurde, wussten die Ermittler schon, dass die Tatwaffe bei einem Waffenhändler in der Schweiz gekauft wurde. Auf verschlungenen Wegen gelangte sie in die Hände der Terroristen. Dann begann die Mordserie, und überall, wo sie ihre blutige Spur hinterließ, gründeten die Landespolizeibehörden immer neue Sonderkommissionen.

    Den Anfang macht die Kripo in Nürnberg gleich nach den ersten beiden Morden. Weil die Opfer türkischstämmig sind, wird sie »Soko Halbmond« genannt. Nach dem Mord in Hamburg gründet die dortige Polizei die »Soko 061«. München folgt mit der »Soko Theo«, benannt nach dem Mordopfer Theodoros B. Nachdem die Terroristen im Februar 2004 in Rostock einen Imbisswirt erschossen, bekommt Mecklenburg-Vorpommern eine Soko mit dem schönen Namen »Kormoran«. Nach den tödlichen Schüssen in Kassel gründet die hessische Polizei die »Soko Café«. Nur der NSU-Mord in Dortmund am 4. April 2006 zieht keine Soko-Gründung nach sich. Dafür erfindet die baden-württembergische Polizei die »Soko Parkplatz«, nachdem die Polizistin Michèle K. in Heilbronn das zehnte und letzte Opfer des Mördertrios wurde. Immerhin: Alle Sokos wussten voneinander, und sie wussten auch, dass sie alle am selben Fall arbeiteten, dass jedenfalls alle Morde, derentwegen sie eingerichtet wurden, mit derselben Waffe begangen wurden. Und dann kam schließlich die Soko Bosporus mit Geier an der Spitze hinzu, die als eine Art Super-Soko die Arbeit aller Sokos zu koordinieren hatte.
    Geiers Handschrift, die schon die Ermittlungen im Fall Peggy prägte, wurde nach dem siebten Mord der NSU-Serie am 15. Juni 2005 besonders deutlich. Opfer war der 41 Jahre alte Grieche Theodoros B., der erst zwei Wochen zuvor im Münchner Westend einen Schlüsseldienst eröffnet hatte. Geier beauftragte Profiler mit der Entwicklung einer Tathergangshypothese. Der Profiler lieferte, was Geier hören wollte – dass sich die Morde im Drogen- oder Geldwäschemilieu abspielten, jedenfalls im Bereich der organisierten Kriminalität. Also machten sich die Ermittler ans Werk und verhörten die Familien der Opfer wieder und wieder. Das war auch im Fall B. so. Seiner Ex-Frau erklärten die Ermittler, er müsse wohl einen schlechten Lebenswandel gepflegt haben. »Die Ermittler bezeichnen Yvonne B. als dämlich, weil sie nichts mitbekommen habe«, notiert eine Reporterin der Zeit . Die Polizei prüfte, ob er türkische Vorfahren habe – ohne Ergebnis. Sie verdächtigte seinen Bruder, illegale Glücksspiele zu veranstalten – wieder ohne Ergebnis. Als die Beamten mit ihren Verhören nicht weiterkamen, versuchten sie es auf andere Weise. Yvonne B. schilderte der Zeit -Reporterin, wie eines Tages zwei Unbekannte vor ihrer Tür standen. Sie gaben sich als türkische Privatdetektive aus, die den Mord an ihrem Ex-Mann untersuchten. Yvonne B. fürchtete, es könne sich um Verbrecher handeln, und alarmierte die Polizei. Die Beamten beruhigten sie mit einer verblüffenden Auskunft: Sie wüssten Bescheid, sie könne unbesorgt mit den beiden Detektiven sprechen. Andere Hinterbliebene von NSU-Opfern berichten von merkwürdigen Anrufen vermeintlicher Journalisten. Offenbar gaben sich Kripo-Ermittler als Reporter aus,
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