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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg
Autoren: Jan Guillou
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alles.«
    »Du bist so gottverdammt logisch.«
    »Gibt es eine andere Rettung?«
    »Nein, ich bin nur ganz allgemein ziemlich durcheinander im Kopf. Es gibt keine andere Lösung, aber leicht ist es nicht, weiß der Himmel.«
    »Nein«, bestätigte Carl mit der ersten Andeutung eines feinen Lächelns, da er die Krise überwunden zu haben schien, »wer zum Teufel hat eigentlich gesagt, daß es leicht sein muß. Das haben sie nicht mal auf der Sunset Farm gesagt. Hast du denn Skip und seinen Ermahnungen nie geglaubt?«
    Åke Stålhandske zeigte ein zögerndes Lächeln. Er sah fast verlegen aus. Die Krise schien tatsächlich vorbei zu sein.
    Åke bat um Anweisungen. Carl zeigte ihm Windrichtung und Spuren, entschied, wo Åke sich in den Hinterhalt legen sollte, und wie er selbst den verletzten Hirsch aufscheuchen und treiben mußte.
    Carl wartete eine Viertelstunde, bis er der Meinung war, daß Åke jetzt richtig stehen mußte. Dann ging er entschlossen und laut in der Spur des verletzten Hirschs. Er hielt das Gewehr schußbereit in der Armbeuge, falls das Tier plötzlich vor ihm auftauchte. Nach zehn Minuten hörte er einen Schuß, einen einzigen.
    Als er den toten Hirsch erreichte, sah er reflexmäßig nach dem Treffer. Der Hirsch war hinter dem Ohr getroffen worden. Das Einschußloch war kleiner als ein halber Dollarschein. Und das aus einem Abstand von mehr als hundertfünfzig Metern.
    Kriminalinspektor Eino Niemi graute vor dem Telefongespräch, das er unweigerlich würde führen müssen. Er hatte die ganze Zeit gezetert, daß es Mord sein müsse, und der Mann, der jetzt zu behaupten schien, daß er unrecht hatte, trug unglücklicherweise einen Professorentitel und hatte einen besorgniserregend reichsschwedischen Namen und kam sicher weit aus dem Süden. Solche Menschen hörten sich ungefähr wie Politiker bei Fernsehdebatten an und schienen ebensowenig gewillt zu sein, Argumente eines kleinen Polizisten vom Lande anzuerkennen.
    Er starrte feindselig auf das eigenartig geformte R am oberen Rand des Briefpapiers des Gerichtsmedizinischen Zentralamts, und plötzlich ging ihm auf, daß es eine Schlange symbolisierte. Aus diesem Grund war der Buchstabe unvollständig.
    Er entfloh dem Anblick der Dokumente und sah aus dem Fenster. Der Fluß war noch nicht ganz zugefroren. Dort hinten sah er einen breiten Streifen offenen Wassers, auf finnischem Territorium. Der Park vor dem Polizeigebäude war bis zum Strand hinunter leer. Kein Mensch war zu sehen. Es war immerhin einer der Tage, an denen Schweden stillsteht. Weihnachten.
    Vor vier Tagen hatte das Ganze wie eine große Sache ausgesehen, wie ein schweres Verbrechen. Nach zwei Tagen hatte es sich jedoch in einen Multbeerendiebstahl verwandelt, was zumindest in Tornedalen als eher leichtes Vergehen angesehen werden kann. Folglich hatte der Polizeidirektor die meisten Leute von dem Fall abgezogen und sich damit begnügt, bis auf weiteres nur einen Mann auf die Angelegenheit anzusetzen, Eino Niemi.
    Dieser hatte den Verdacht, daß die Sache möglicherweise mit den beiden verschwundenen Jungen von den Kukkola-Stromschnellen zu tun hatte. Die Zeitungen hatten viel darüber geschrieben und wie üblich die Frage gestellt: Was tut eigentlich die Polizei? Die Beamten der Abteilung, die nicht Weihnachten feierten, suchten in einem der größten Polizeibezirke Schwedens nach einem verschwundenen Wagen mit zwei Jungen.
    Der Anlaß für den Abzug der Beamten waren also die Dokumente, die auf der im übrigen weihnachtlich leergefegten Schreibtischplatte vor ihm lagen, wenn man von Zeitungen und Weihnachten und derlei absah, was sich unter dem Begriff menschlicher Faktor zusammenfassen ließ. Ein gelber Zettel, vom Polizeidirektor mit eigener Hand beschrieben, hatte die Dokumente bis auf Eino Niemis Schreibtisch begleitet. Die Mitteilung war von lakonischer Kürze:
    Da Holma an plötzlichem Kindstod gestorben zu sein scheint, bleibt noch der eigentliche Diebstahl.
    Erledige das nach Weihnachten. Schöne Feiertage.
    Im Gutachten des Pathologen stand jedoch nichts von plötzlichem Kindstod, jedenfalls nicht ausdrücklich und im Klartext. Falls der Polizeidirektor nicht irgendeine Zusatzinformation am Telefon erhalten hatte, sozusagen von Südschwede zu Südschwede, mußte es also möglich sein, den Sachverhalt dem Obduktionsbericht zu entnehmen.
    Eino Niemi schnippte ein paarmal unentschlossen mit seinem Kugelschreiber, bevor er mit einer seltsamen Mischung aus Entschlossenheit und
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