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Der Dunkle Turm 3 - Tot

Titel: Der Dunkle Turm 3 - Tot
Autoren: King Stephen
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Revolver, dessen abgegriffener Sandelholzkolben aus dem alten geölten Halfter ragte, hatten einmal dem Revolvermann gehört; das Halfter hatte an seiner rechten Hüfte gehangen. In den vergangenen fünf Wochen hatte er genügend Zeit mit der Erkenntnis verbracht, daß es nie wieder dort hängen würde. Dank der Monsterhummer war er jetzt ein ausschließlich linkshändiger Schütze.
    »Und, wie ist es?« fragte er wieder.
    Diesmal lachte sie zu ihm hoch. »Roland, dieser olle Revolvergurt ist so bequem, wie er nur sein kann. Möchtest du jetzt, daß ich schieße – oder einfach hier sitze und mir die Krähenmusik von da drüben anhöre?«
    Jetzt spürte er, daß die Spannung sich wie spitze kleine Finger unter seine Haut bohrte, und vermutete, Cort mußte sich zuzeiten unter seinem griesgrämigen, vorgeschützten Gebaren ganz ähnlich gefühlt haben. Er wollte, daß sie gut war… sie mußte gut sein. Aber wenn er ihr zeigte, wie sehr er das wollte und brauchte, konnte es zu einer Katastrophe führen.
    »Wiederhole deine Lektion, Susannah.«
    Sie seufzte in gespielter Verzweiflung, doch beim Sprechen verschwand das Lächeln, und ihr dunkles, hübsches Gesicht wurde ernst. Und er vernahm von ihren Lippen erneut den alten Katechismus, der in ihrem Mund so neu klang. Er hätte nie damit gerechnet, diese Worte von einer Frau zu hören. Wie natürlich sie sich anhörten… und doch wie seltsam und gefährlich obendrein.
    »›Ich ziele nicht mit der Hand; wer mit der Hand zielt, hat das Gesicht seines Vaters vergessen.
    Ich ziele mit dem Auge.
    Ich schieße nicht mit der Hand; wer mit der Hand schießt, hat das Gesicht seines Vaters vergessen.
    Ich schieße mit dem Verstand.
    Ich töte nicht mit meiner Waffe…‹«
    Sie verstummte und deutete auf die flechtenschimmernden Steine auf dem Findling.
    »Ich werde sowieso nichts töten – sind ja nur Itzibitzi steine .«
    Ihr Gesichtsausdruck – ein bißchen garstig, ein bißchen verdrossen – deutete darauf hin, daß sie davon ausging, Roland würde resigniert sein, vielleicht sogar ein bißchen wütend auf sie. Aber Roland hatte schon hinter sich, was sie gerade durchmachte; er hatte nicht vergessen, daß angehende Revolvermänner manchmal schnippisch und übermütig waren, nervös und geneigt, genau im falschen Augenblick zuzubeißen… und er hatte eine unerwartete Fähigkeit in sich entdeckt. Er konnte unterrichten. Mehr noch, es machte ihm Spaß zu unterrichten, und er fragte sich von Zeit zu Zeit, ob es Cort ebenso ergangen war. Er vermutete, daß es so gewesen war.
    Jetzt fingen noch mehr Krähen rauh zu krächzen an – diesmal im Wald hinter ihnen. Ein Teil von Rolands Verstand registrierte die Tatsache, daß diese Schreie aufgeregt waren, nicht nur zänkisch; diese Vögel hörten sich an, als wären sie von dem Aas weggescheucht worden, das sie gerade gefressen hatten. Aber er mußte über wichtigere Dinge nachdenken als den Grund, der ein paar Vögel aufgescheucht hatte, daher speicherte er die Information einfach ab und konzentrierte seine Aufmerksamkeit wieder auf Susannah. Mit einem Schüler anders zu verfahren, hieße, einen zweiten, nicht mehr so verspielten Biß zu riskieren. Und wer würde dafür die Verantwortung tragen? Wer, wenn nicht der Lehrmeister? Aber bildete er sie denn nicht aus, um zu beißen? Bildete sie beide aus, um zu beißen? War ein Revolvermann nicht genau das, wenn man ihn der wenigen strengen Maßregeln des Rituals und der wenigen eisernen Vorschriften des Kodex entblätterte? War er (oder sie) nicht ein menschlicher Falke, der darauf trainiert war, auf Befehl zu beißen?
    »Nein«, sagte er. »Es sind keine Steine.«
    Sie zog die Brauen ein wenig in die Höhe und fing wieder an zu lächeln. Als sie sah, daß er nicht explodieren würde – wie manchmal, wenn sie langsam oder schnippisch war – (jedenfalls noch nicht), nahmen ihre Augen wieder das spöttische Funkeln wie von Sonne auf Stahl an, das er mit Detta Walker assoziierte. »Nicht?« Das Spötteln in ihrer Stimme war immer noch humorvoll, aber er dachte sich, es würde gemein werden, wenn er es zuließ. Sie war nervös, aufgekratzt und hatte die Krallen schon halb ausgefahren.
    »Nein«, sagte er und erwiderte ihren Spott. Auch sein Lächeln stellte sich wieder ein, aber es war hart und humorlos. »Susannah, erinnerst du dich noch an die blassn Wichsah?«.
    Ihr Lächeln verblaßte langsam.
    »Die blassn Wichsah aus Oxford Town?«
    Ihr Lächeln war dahin.
    »Weißt du noch,
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