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Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift

Titel: Der Dreitagemann - Der Dreitagemann - The Pursuit of Alice Thrift
Autoren: Elinor Lipman
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Verzweiflung nahe.
    »Kandidiert dein Bruder für irgendein Amt?«
    Leo schüttelte den Kopf.
    »Ich habe mich einmal um ein Amt beworben, auf der High School, aber es wurde nichts daraus. Dabei wäre ich die ideale Schriftführerin gewesen, weil ich in den Sommerferien einmal einen Stenokurs gemacht hatte und die besten Protokolle hätte führen können. Aber anscheinend spielte das überhaupt keine Rolle.«
    »Auf der High School läuft alles auf einen Beliebtheitswettbewerb hinaus - was dir aber bestimmt nicht verborgen geblieben ist.«
    Ich dachte zurück an die drei aufeinander folgenden Jahre, in denen ich kandidiert hatte und regelmäßig von Mitschülerinnen vernichtend geschlagen wurde, die sich durch nichts, aber auch gar nichts, irgendwie profiliert hatten.
    »Versteh mich nicht falsch«, sagte Leo, »und du brauchst mir auch nicht zu antworten, aber hattest du auf der High School einen Freund?«
    Er ließ mich gar nicht zu Wort kommen, tätschelte mir die Hand und meinte: »Egal. War nur eine dumme, oberflächliche Frage. Als ob du das heute noch wüsstest. Ich für meinen Teil habe jedenfalls nur sehr verschwommene Erinnerungen an mein gesellschaftliches Leben während der Schulzeit.«
    Er schüttete sich eine zweite Portion Müsli in seine Schüssel und füllte sie randvoll mit Milch. »Der Typ, der hier anruft? Ist das ein Freund von dir?«
    »Ich war einmal mit ihm essen.«
    »Und?«
    »Und er würde das gern wiederholen.«
    »Hast du ihn zurückgerufen?«
    »Nein.«
    »Ein für alle Mal nein, oder nein, noch nicht?«
    »Er ist nicht mein Typ.«
    Leo hielt dem nichts entgegen, aber ich wusste, was er dachte: Wie in aller Welt sollte Alice Thrift, Arbeitstier und Mauerblümchen, sich ein Bild davon gemacht haben, was ihr Typ ist?

4
    IT’S PARTY TIME
    Vorgestellt hatten wir es uns folgendermaßen: Pflegerinnen und Jungärzte in Zivil, in angeregte Unterhaltung vertieft. Staatlich geprüfte Krankenschwestern beeindrucken Doktoren der Medizin mit ihrem bisher weit unterschätzten medizinischen Fachwissen und ihrer Gelehrsamkeit. Erschöpfte Ärzte trinken Bier, während mitfühlende Krankenschwestern Sandwich-Röllchen herumreichen. Ärzte bitten Schwestern, ihre Dienstpläne zu überprüfen, auf dass sich da ein gemeinsamer freier Samstagabend finden möge.
    Als sich herausstellte, dass die Krankenschwestern alle konnten und die Ärzte alle nicht, mussten Leo und ich uns ganz schnell etwas einfallen lassen, um eine Art von Geschlechtergleichstand zu erzielen. Ich bot an, diejenigen von meinen Kommilitonen anzurufen, die in Boston ihr Praktikum absolvierten, zehn bis zwölf würden sich da wohl zusammentrommeln lassen.
    »Freunde?«, fragte Leo.
    »Kommilitonen«, wiederholte ich.
    Ich wußte, woran er dachte: meine mangelnde Beliebtheit. Party und Alice Thrift waren zwei Begriff, die sich gegenseitig ausschlossen, und das bekam Leo jetzt am eigenen Leib zu spüren. Ich sagte: »Die Wahrheit ist, dass mein Name keinerlei Zugkraft hat, Menschen aus Fleisch und Blut, besonders, wenn sie das Y-Chromosom in sich tragen, reagieren einfach nicht darauf.«
    »Dagegen werden wir was tun«, erklärte Leo.
    »Außerdem bin ich nicht dafür bekannt, Partys zu schmeißen, daher haben meine potenziellen Gäste nicht die geringste Veranlassung, den Unterhaltungswert einer solchen Veranstaltung bei mir besonders hoch einzuschätzen.«
    »Komm, hör auf damit. Das ist doch nicht deine Schuld. Wir haben zu hohe Erwartungen. Jungärzte sind notorisch übermüdet. Wenn die einmal einen Abend freihaben, dann wollen sie nur schlafen.«
    »Für den Durchschnittsmann gilt das aber nicht. Habe ich zumindest gelesen.«
    »Und was gilt für den?«
    »Ich habe gehört, dass Männer sich unter Frauen, auch unbekannte, mischen, wenn sie sich davon einen sexuellen Vorteil versprechen.«
    »Sag mal, wo lebst du eigentlich? Du redest daher wie eine Anthropologin, dabei überlegen wir doch nur laut, wie wir unsere Gästeliste ins Gleichgewicht bringen können.«
    Diese Unterhaltung fand in der Kantine statt, Leo saß und ich stand, weil ich mir wie üblich nur ein Sandwich geholt hatte und gleich wieder gehen wollte. Er war der Meinung, ich äße nicht richtig, deshalb setzte ich mich schließlich hin, nachdem er einmal mit einem Stuhl geklappert hatte.
    »Wenn ich meine ledigen Brüder anrufe, Peter nicht mitgerechnet, und jeder einen Freund mitbringt, hätten wir sechs Männer mehr.«
    »Ist Peter der Priester?«
    »Nein, das ist
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