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Der Doppelgänger

Der Doppelgänger

Titel: Der Doppelgänger
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij , Fedor Michajlovic Dostoevskij
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etwas Amtliches...« Das Schreiben enthielt in der Tat die von Andrei Filippowitsch unterzeichnete Anweisung für Herrn Goljadkin, die in seinen Händen befindlichen Akten an Iwan Semjonowitsch abzuliefern. Nachdem er den Brief in Empfang genommen und dem Kanzleidiener ein Zehnkopekenstück gegeben hatte, ging Herr Goljadkin in seine Wohnung hinein und sah, daß Petruschka in seinem Verschlage dabei war, all seine Sachen auf einen Haufen zusammenzulegen, offenbar in der Absicht, Herrn Goljadkin zu verlassen und als Jewstafis Nachfolger in Karolina Iwanownas Dienst zu treten, die ihn seinem Herrn abwendig gemacht hatte.

12. Kapitel
     
    Petruschka trat, sich hin und her wiegend, ins Zimmer; seine Haltung hatte etwas sonderbar Nachlässiges, sein Gesicht zeigte die triumphierende Miene eines Knechtes. Man konnte ihm ansehen, daß er etwas vorhatte und sich in seinem Rechte fühlte; er sah aus wie ein Fremder, d. h. wie der Diener eines andern Herrn, nicht wie Herrn Goljadkins bisheriger Diener.
    »Nun, siehst du, mein Lieber,« begann unser Held, immer noch außer Atem, »was ist jetzt die Uhr, mein Lieber?«
    Petruschka ging schweigend hinter die Scheidewand, kam zurück und meldete in einem wenig dienermäßig klingenden Tone, es sei bald halb acht.
    »Nun schön, mein Lieber, schön! Nun, siehst du, mein Lieber ... Dann möchte ich dir sagen, mein Lieber, daß unser wechselseitiges Verhältnis jetzt zu Ende ist.«
    Petruschka schwieg.
    »Also da nun jetzt unser wechselseitiges Verhältnis zu Ende ist, so sage mir doch jetzt aufrichtig, sage mir wie ein Freund dem Freunde, wo du gewesen bist, mein Lieber!«
    »Wo ich gewesen bin? Bei guten Leuten bin ich gewesen.«
    »Ich weiß, mein Freund, ich weiß. Ich bin mit dir stets zufrieden gewesen, mein Lieber, und werde dir auch ein gutes Zeugnis ausstellen ... Nun, bist du denn jetzt bei denen im Dienst?«
    »Nun ja, Herr! Sie wissen es ja selbst. Ein guter Mensch lehrt einen nichts Schlechtes.«
    »Ich weiß, mein Lieber, ich weiß. Heutzutage sind gute Leute selten, mein Freund; die mußt du zu schätzen wissen, mein Freund. Nun, wie sind sie denn?«
    »Das wissen Sie ja ... Aber bei Ihnen, Herr, kann ich jetzt nicht länger dienen; das werden Sie ja selbst wissen.«
    »Ich weiß, mein Lieber, ich weiß; ich kenne deinen Eifer und deine Dienstwilligkeit; ich habe das alles gesehen,mein Freund, habe das alles bemerkt. Ich schätze dich hoch, mein Freund. Ich schätze einen guten, ehrenhaften Menschen hoch, wenn er auch ein Diener ist.«
    »Nun ja, das weiß ich. Unsereiner muß natürlich dahin gehen, wo es besser ist; das wissen Sie selbst. Das ist nun einmal nicht anders. Was soll ich machen? Sie wissen, Herr, einen guten Menschen muß man haben.«
    »Nun schön, mein Lieber, schön! Ich kann dir das nachfühlen... Nun also, da hast du dein Geld und dein Zeugnis. Jetzt wollen wir uns küssen, lieber Freund, und voneinander Abschied nehmen ...«
    »Jetzt, mein Lieber, bitte ich dich noch um einen einzigen Dienst, um einen letzten Dienst,« sagte Herr Goljadkin in feierlichem Tone. »Siehst du, mein Lieber, es kommt alles mögliche vor. Kummer verbirgt sich auch in vergoldeten Palästen, mein Freund; dem kann man nirgendhin entfliehen. Du weißt, mein Freund, ich bin, wie ich meine, immer freundlich gegen dich gewesen...«
    Petruschka schwieg.
    »Ich bin, meine ich, immer freundlich gegen dich gewesen, mein Lieber ... Nun, wieviel Wäsche haben wir denn jetzt, mein Lieber?«
    »Es ist alles ordnungsmäßig vorhanden. Sechs Stück leinene Hemden; drei Paar Socken; vier Vorhemdchen; eine flanellene Unterjacke; zwei Unterhosen. Sie wissen ja selbst alles. Ich habe nichts von Ihren Sachen, Herr ... Ich hüte das Eigentum meines Herrn mit aller Sorgfalt. Sie haben mich manchmal gescholten, Herr, wegen ... hm... gewiß... aber solche Sünde habe ich niemalsauf mein Gewissen geladen, Herr; das wissen Sie selbst, Herr ...«
    »Ich glaube dir, mein Freund, ich glaube dir. Aber ich meine das auch gar nicht, mein Freund, ich meine das gar nicht, siehst du. Es handelt sich um etwas anderes, mein Freund ...«
    »Ja, Herr, das kennen wir schon. Als ich noch beim General Stolbnjakow in Dienst stand und entlassen wurde, weil die Herrschaft nach Saratow reiste ... sie hatten da ein Gut ...«
    »Nein, mein Freund, ich meine das gar nicht; ich sage nichts Derartiges ... Glaube so etwas nicht, mein lieber Freund ...«
    »Jawohl. Sie wissen ja selbst: unsereinen kann man auf das leichteste
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