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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5
Autoren: Bastian Sick
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zwar gleich zweimal. Auf der ersten Karte war eine herrliche südfranzösische Landschaft zu sehen, und auf der Rückseite stand in Tinas hübsch geschwungener Handschrift: »Lieber Basti! So muss Urlaub …«. Einen Tag später traf eine zweite Karte ein, sie zeigte eine nicht minder schöne Landschaft, und auf der Rückseite las ich: »… sein! Viele liebe Grüße aus Südfrankreich sendet dir deine Tina!«
Weiteres zur Sprache in der Werbung:

»Brutalstmöglich gesteigerter Superlativissmus« (»Dativ«-Band 1)
»Die reinste Puromanie« (»Dativ«-Band 1)
»Qualität hat ihren Preis« (»Dativ«-Band 3)
»Werbung mit Spliss« (in diesem Buch auf S. 64)

Der Chef ist auf Termin
    Wer immerzu auf Arbeit ist, der muss auch mal auf Urlaub sein. Denn wer zu viel auf Achse war, ist irgendwann auf Kur. Und wer zu oft auf Droge war, ist irgendwann auf Entzug. Das ist nicht unbedingt auf Linie, und ist es überhaupt auf Deutsch?
    Vor einiger Zeit wandte sich ein Mitarbeiter der Freiburger Stadtverwaltung in einer E-Mail an mich und bat um Rat. Er schrieb, die Vorzimmerdamen in seiner Behörde seien verunsichert, weil sich einige Anrufer darüber lustig machten, wenn sie am Telefon sagten: »Der Chef ist auf Termin«. Ich habe mich über diese E-Mail gefreut, nicht nur, weil ich sogleich spürte, dass sie Stoff für eine neue Kolumne liefern würde. Vor allem freute ich mich über die Verwendung des schönen, aber leider viel zu selten gewordenen Wortes »Vorzimmerdamen«.
    Und hier ging es um Vorzimmerdamen in Not! Keine Frage also, dass ich beherzt eingreifen würde. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die Freiburger Vorzimmerdamen bereits eine beachtliche Abstraktionsleistung vollbringen, wenn sie einem Anrufer auf Hochdeutsch erklären, der Chef sei »auf Termin«. Als gebürtige Badenerinnen könnten sie ebenso gut sagen: »Dä Schef isch nit do« oder »Seller isch gange un kummt hit au nimmi«. Anmerkung Stattdessen entschlossen sie sich zu einer überregionalen Variante und schickten den Chef »auf Termin«. Das wird zwar von allen Deutschen verstanden, aber offenbar nicht von jedem gutgeheißen. Die Jury bei »Deutschland sucht die Supervorzimmerdame« gibt der Präposition »auf« in Verbindung mit dem Wort »Termin« allenfalls die Note »umgangssprachlich«.
    Es gibt zahlreiche Formulierungen, in denen »auf« mit einem Hauptwort eine elegante Verbindung eingeht: auf Wunsch, auf Verlangen, auf Befehl, auf Kredit, auf Ehrenwort, auf Rezept. Die Eleganz schwindet jedoch, wenn sich als dritter Bestandteil eine Form von »sein« hinzugesellt. »Auf Termin sein« entspricht ebenso wenig dem Sprachstandard wie »auf Arbeit sein« oder »auf Schalke sein«. Gut, das mit Schalke nehme ich zurück, auch wenn ein paar Dortmunder deswegen enttäuscht sein werden.
    Die »auf … sein«-Bildungen sind allerdings praktisch und daher in der Umgangssprache reichlich vertreten. Lastwagenfahrer sind ständig »auf Achse«, Musiker sind gern »auf Tour«, und wenn das rote Licht aufleuchtet, wissen Moderatoren und Studiogäste, dass sie »auf Sendung« sind.
    Wer irgendwo verkürzt »auf Probe« ist, der ist in der längeren, standardsprachlichen Version »zur Probe angestellt«. Auch die geläufige Formulierung »Er ist auf Bewährung« ist nur eine umgangssprachliche Verkürzung des Ausdrucks »Er wurde zur Bewährung freigelassen«. Man kann irgendwo bei irgendwem »auf Besuch« sein, obwohl es dem stilgebildeten Gastgeber gewiss lieber ist, man wäre »zu Besuch«. Man kann »auf Diät« sein, auch wenn es vielleicht eleganter wäre, eine Diät zu machen oder – noch kürzer – Diät zu halten. Und wenn’s nicht hilft, dann ist man früher oder später »auf Kur«. Aber auch das ist umgangssprachlich. Wer dem Sprachstandard genügen will, der ist »zur Kur«. Denn bei der Kur kommt es schließlich auf die Anwendungen an, und mit der Anwendung der passenden Präposition fängt es schon mal an.
    Das Gleiche gilt auch für den Lehrgang und die Fortbildung: »Ich bin auf Fortbildung« klingt so, als handelte es sich um einen Kursus für Monteure, denn von denen weiß man, dass sie berufsbedingt oftmals lange »auf Montage« sind. Wer schon willens ist, sich fortzubilden, sollte beherzt bei seinem Sprachstil anfangen und sich selbst »zur Fortbildung« empfehlen.
    Die meisten Konstruktionen mit »auf« und »sein« gehen auf das Wandern zurück. »Auf Wanderschaft« war man schon zu früheren Zeiten. Nach diesem Vorbild
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