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Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Claudia Schulligen
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und scharrte es drinnen, ein weiterer Ruf ertönte – oder klang dies nicht eher wie ein erstickter Schrei? Ja, zweifellos war es ein Schrei voller Entsetzen und Wut – unmittelbar abgelöst durch Stille, eine unheimliche, alles unter sich begrabende Stille. Laetitia stand wie gebannt. Eine Sekunde verging, zwei, drei – nichts.
    Endlich durchbrach ein Knarren die gespenstische Ruhe. Vorsichtig tat sich die Tür des Nachbarhauses zur Linken auf und Laetitia beobachtete, wie eine Frau herausschlüpfte. Ihre Silhouette bewegte sich mit der lautlosen Umsicht eines Diebes. Da sie nichts in den Händen trug, verwarf Laetitia die Idee, die Fremde habe tatsächlich gestohlen, rasch. Nachdem sie wie mit den samtenen Pfoten einer Katze auf die Gasse getreten war, wandte sich die Frau um. Kein Zweifel: Sie wollte sich vergewissern, dass niemand sie sah. Plötzlich flog die Tür von Burkhards Haus auf. Sich die Kapuze tiefer ins Gesicht ziehend, kam der Mann mit fliegendem Mantel herausgestürmt. Seine eckigen Bewegungen und der keuchende Atem verrieten höchste Aufregung. Daher nahm es nicht Wunder, dass er ungestüm mit der Frau zusammenprallte, die aufgrund der Wucht zu Boden stürzte. Sofort verfiel sie in ein heftiges Gezeter, das an Vulgarität kaum zu überbieten war und Laetitia abstieß. In der behüteten Welt des Klosters benutzte niemand derbe Worte. Nicht nur die Nonnen und ihre Mitschülerinnen vermieden unflätige Reden, auch den Mägden war streng untersagt, sich unwürdiger Ausdrucksweisen zu bedienen. Die Welt hier draußen erwies sich leider nicht nur als der verheißungsvolle Ort, wie Laetitia sie sich manches Mal vorgestellt hatte. Zumindest barg sie hässliche Facetten.
    Obschon die fremde Frau den bösesten Schimpf durch die Zähne stieß, lärmte sie nicht genug, um ein merkwürdiges Klingen zu übertönen. Dem Mann war ein Gegenstand entglitten und jener war offenbar auf einen Stein getroffen. Ein helles, metallenes Klirren, das Laetitias Ohren kurz, aber deutlich wahrnahmen. Eindeutig galt dem Mann der verlorene Gegenstand viel. Hastig, ohne sich im Geringsten um die Frau zu kümmern, die auf Knie und Hände gestützt aufzustehen versuchte, bückte er sich danach. Im Dunkeln der Gasse tastete er über den Boden, richtete sich hektisch wieder auf, drehte sich mit schwingendem Mantel um die eigene Achse und suchte vorgeneigt weiter, um schließlich zu resignieren. Die Frau war mittlerweile aufgestanden und klopfte sich den Schmutz vom Gewand. Wie zum Schlag holte der Mann mit der Rechten aus, doch hielt er unvermittelt inne und fasste sich an die Kehle. Ein Röcheln, als ob er zu ersticken drohte, war zu hören. Kurz darauf wandte er sich um, floh in eine schmale Gasse und verschwand gleich darauf in der Dunkelheit. Wenige Sekunden hallten seine Schritte nach, bis sie völlig verklangen.
    Vor Verwirrung bewegungslos wie Lots Weib kam Laetitia gar nicht der Gedanke, der Frau ihre Hilfe anzubieten. Stattdessen beobachtete sie von ihrem Versteck aus, wie sie sich ebenfalls bückte. Offenbar war ihr mehr Erfolg beschieden als dem Mann. Sie führte mit ihrer rechten Hand einen winzigen Gegenstand, der im Mondlicht aufblinkte, voller Neugier dicht an ihre Augen. Dabei glitt eine Locke unter ihrer Kapuze hervor, die in einem derart flammenden Rot leuchtete, wie es Laetitia noch nie zuvor gesehen hatte. Die Hand der Fremden zuckte zurück, als ob ihre Finger in sengendes Feuer gegriffen hätten. Blitzschnell ließ sie den gefundenen Gegenstand unter ihrem Mantel verschwinden und machte sich davon.
    Am liebsten hätte auch Laetitia auf der Ferse Kehrt gemacht, aber knapp vor dem Ziel durfte sie keinesfalls aufgeben. Ihre Glieder streckend, die sich vor Anspannung verkrampft hatten, schöpfte sie tief Atem. Obwohl ihr Herz seinen normalen Rhythmus nicht wiederfand, wagte sich Laetitia hinter dem Mauersprung hervor. Dabei streiften die Zweige eines Haselnussbusches ihr Gesicht und sandten einen Schauer über ihren Rücken. Sie fand die Tür des Hauses angelehnt vor. Zaghaft klopfte sie. Als auf das zweite, forschere Pochen hin niemand öffnete, schob sie vorsichtig die knarrende Tür auf und trat in die Stube, die wenige Kerzen erleuchteten.
    »Jemand da?«, fragte sie aus trockener Kehle, jedoch erhielt sie keine Antwort. Die Ahnung einer drohenden Gefahr, deren Natur sie nicht kannte, wuchs. Im Halbdunkel zeichneten sich die Konturen eines mächtigen Schrankes an der Wand ab. Direkt vor Laetitia standen ein
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