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Der Botschafter

Der Botschafter

Titel: Der Botschafter
Autoren: Daniel Silva
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Rollen - unterwegs gewesen waren.
    Durch einen glücklichen Zufall meldete sich kurz vor Mittag der holländische Tourist Jacco Krajicek bei der Polizei und sagte aus, er habe am Spätnachmittag einer Frau geholfen, einen großen Rollenkoffer aus schwarzem Nylon zum U-Bahnhof Knightsbridge hinunterzutragen. Er beschrieb ihr Aussehen und ihre Kleidung genau, aber das Interesse der Ermittler wurde durch zwei weitere Einzelheiten geweckt. Obwohl die Unbekannte den Fahrkartenautomaten mit der flinken Selbstsicherheit einer Londonerin bedient hatte, die täglich U-Bahn fährt, hatte sie anscheinend nicht gewußt, daß zur Station Knightsbridge nur eine Treppe hinunterfuhrt - denn hätte sie sich sonst mit ihrem schweren Koffer nicht eine Rolltreppe gesucht? Sie habe mit amerikanischem Akzent gesprochen, sagte Krajicek weiter aus, aber ihr Akzent sei nur eine schlechte Imitation gewesen. Der Kriminalinspektor, der seine Aussage zu Protokoll nahm, wollte wissen, wie er zu dieser Schlußfolgerung gelangt sei. Krajicek antwortete, er sei Linguist und Sprachtherapeut und beherrsche mehrere Sprachen fließend.
    Nach Krajiceks Angaben erstellten die Kriminalbeamten ein Phantombild der Frau aus der U-Bahn. Diese Skizze erhielten in der ersten Phase nur die Special Branch der Royal Ulster Constabulary und die Zentralen der Geheimdienste MI5 und MI6. Dort gingen Mitarbeiter ihre Akten mit den Fotos aller bekannten Mitglieder paramilitärischer Gruppen der Loyalisten und Republikaner durch. Erst als sich keine Entsprechung fand, wurde das Phantombild weiter verbreitet. Die Polizei vermutete, die Frau sei na ch dem Bombenanschlag vom Flughafen Heathrow aus mit der nächsten Maschine ins Ausland geflüchtet. Das Phantombild wurde dem Personal an Ticketschaltern, Gepäckkontrolleuren und Sicherheitsbeamten des Flughafens gezeigt. Sämtliche Fluggesellschaften, die von Heathrow aus ins Ausland flogen, erhielten eine Kopie. Alle Videofilme der Überwachungskameras auf dem Flughafen wurden wieder und wieder genauestens kontrolliert. Die befreundeten Geheimdienste in Westeuropa, aber auch der israelische Mossad erhielten das Phantombild ebenfalls.
    Kurz vor 19 Uhr nahm die Fahndung nach der Frau ein abruptes Ende, als unter den Trümmern auf dem Bahnsteig eine weitere Leiche entdeckt wurde. Ihr Gesicht war überraschend wenig entstellt, und die Ähnlichkeit mit dem nach Krajiceks Angaben erstellten Phantombild war unverkennbar. Der Holländer wurde nach Heathrow gebracht, um sich die Tote anzusehen. Er nickte grimmig und wandte sich ab. Dies war die Frau, der er auf dem U-Bahnhof Knightsbridge geholfen hatte.
    Ähnliche Ereignisse spielten sich jenseits der Irischen See in Dublin ab. Nicht weniger als ein Dutzend Zeugen sagten aus, sie hätten kurz vor dem Bombenanschlag einen bärtigen Mann mit einer großen, offenbar schweren Aktentasche in die Nationalbibliothek gehen sehen. Einige Stunden nach dem Attentat lieferte der Portier des Hotels Shelbourne zwei Kriminalbeamten der Garda eine genaue Personenbeschreibung des Verdächtigen.
    Der Aufseher, der ihm eine Tageskarte für den Lesesaal gegeben hatte, hatte den Bombenanschlag mit nur leichten Schnittwunden und Prellungen überlebt. Er half der Polizei, den Verdächtigen auf dem Film einer der Überwachungskameras der Nationalbibliothek zu finden. Die Garda veröffentlichte ein Phantombild und ein verschwommenes Foto nach einer Videoaufnahme. Kopien davon wurden nach London gefaxt.
    Auch in Dublin bargen die Rettungsmannschaften am frühen Abend aus den Trümmern eine Leiche, die der Personenbeschreibung des Verdächtigen zu entsprechen schien.
    Als ein Pathologe dem Toten die Kleidungsstücke wegs chnitt, entdeckte er am rechten Knie eine massive Gelenkstütze. Die anwesenden Kriminalbeamten ließen das Knie röntgen. Der Pathologe konnte keine Verletzung an Knochen, Knorpeln oder Bändern feststellen, die eine so massive Stütze erfordert hätte.
    »Ich vermute, daß der Mann diese Stütze getragen hat, um ein Hinken hervorzurufen, statt ein geschädigtes Knie zu stützen«, sagte der Pathologe, indem er das Bein des Toten anstarrte.
    »Und Ihr bisher einziger Verdächtiger in dieser Sache ist mausetot, fürchte ich.«
    Im Norden, in Ulster, fingen Sachbearbeiter der Special Branch der Royal Ulster Constabulary an, in den Bars und Nebenstraßen von West Belfast und bis hin zu lehmfarbenen Farmhäusern bei Portadown und Armagh ihre Spitzel und Zuträger zu befragen. Aber niemand wußte
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