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Der Ball von Sceaux (German Edition)

Der Ball von Sceaux (German Edition)

Titel: Der Ball von Sceaux (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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allein, als ob du auf der Bühne ständest, und scheinst mich für eine Null anzusehen«, sagte plötzlich der alte Seemann. »Weißt du denn nicht, daß ich, wenn er ein Edelmann ist, mehr als einen Sack in meinen Luken stehen habe, mit dem ich seinem Vermögen aufhelfen werde?«
    »Was das anlangt, so hat er das, wenn er ein Sohn von Longueville ist, nicht nötig; aber«, sagte Herr von Fontaine und wiegte den Kopf hin und her, »sein Vater hat ja nicht einmal ›Seife an die Kanaille verkauft‹. Vor der Revolution war er Staatsanwalt, und das ›von‹, das er seit der Restauration sich angeeignet hat, gehört ihm ebensogut, wie die Hälfte seines Vermögens.«
    »Ja, ja! Glücklich die Leute, deren Väter gehenkt worden sind«, rief der Seemann vergnügt.
    Drei oder vier Tage nach diesem denkwürdigen Tage war Fräulein von Fontaine an einem der schönen Novembervormittage, da die Pariser Boulevards durch die scharfe Kälte des ersten Frostes trocken geworden sind, in einem neuen Pelz, den sie in Mode bringen wollte, mit ihren beiden Schwägerinnen, die sie früher am meisten mit Bosheiten überschüttet hatte, ausgefahren. Die drei Damen waren zu dieser Promenade in Paris weit weniger veranlaßt worden, weil sie einen neuen, sehr eleganten Wagen probieren oder Kleider, die für die Wintermode den Ton angeben sollten, zeigen wollten, als um eine Pelerine anzusehen, die einer ihrer Freundinnen in einem vornehmen Wäschegeschäft an der Ecke der Rue de la Paix aufgefallen war. Als die drei Damen den Laden betreten hatten, zog die Baronin von Fontaine Emilie am Ärmel und zeigte ihr Maximilian Longueville, der im Kontor saß und damit beschäftigt war, mit kaufmännischer Gewandtheit einer Nähterin, mit der er zu verhandeln schien, ein Goldstück zu wechseln. In der Hand hielt der »schöne Unbekannte« mehrere Proben, die keinen Zweifel über seinen ehrenwerten Beruf ließen. Ohne daß jemand es wahrnahm, wurde Emilie mit Eiskälte durchrieselt. Aber dank der Lebensart der guten Gesellschaft verbarg sie vollkommen die Wut, die ihr ans Herz griff, und antwortete ihrer Schwägerin: »Ich wußte es!« mit so voller Stimme und so unnachahmlicher Betonung, daß die berühmteste Schauspielerin dieser Zeit sie darum beneidet haben würde. Dann näherte sie sich dem Kontor. Longueville erhob den Kopf, steckte die Proben mit verzweifelter Kaltblütigkeit in die Tasche, grüßte Fräulein von Fontaine und näherte sich ihr, indem er ihr einen durchdringenden Blick zuwarf.
    »Fräulein,« sagte er zu der Nähterin, die ihm mit unruhiger Miene gefolgt war, »ich werde zu Ihnen schicken und die Rechnung bezahlen lassen, unsere Firma wünscht es so. Aber, halt,« fügte er leise hinzu und gab ihr einen Tausendfrankenschein, »nehmen Sie das: aber das ist eine Sache unter uns.– Ich hoffe, Sie werden mir verzeihen«, sagte er und wandte sich wieder an Emilie. »Haben Sie die Güte, mich mit dem Drange der Geschäfte zu entschuldigen.«
    »Das kann mir wohl sehr gleichgültig sein, mein Herr«, erwiderte Fräulein von Fontaine und betrachtete ihn mit einer Selbstsicherheit und einer spöttischen Gleichgültigkeit, daß man glauben mußte, sie sähe ihn zum ersten Male.
    »Sprechen Sie im Ernst so?« fragte Maximilian mit stockender Stimme.
    Emilie wandte ihm mit unglaublicher Verachtung den Rücken. Die wenigen, leise gewechselten Worte waren der neugierigen Aufmerksamkeit der beiden Schwägerinnen entgangen. Nachdem sie die Pelerine gekauft hatten und wieder in den Wagen gestiegen waren, konnte Emilie, die rückwärts saß, sich nicht enthalten, noch einen letzten Blick auf das Innere des verhaßten Ladens zu werfen, in dem sie Maximilian mit gekreuzten Armen stehen sah, in der Haltung eines Mannes, der über das Unglück, das ihn so plötzlich betroffen hat, erhaben ist. Ihre Augen begegneten sich und warfen sich zwei unversöhnliche Blicke zu. Jeder von beiden hoffte, daß er das Herz, das er liebte, grausam verletze. In einem Augenblick fühlten sich alle beide einander so fern, als ob der eine in China, der andere in Grönland lebte. Läßt der Hauch der Eitelkeit nicht alles vertrocknen? Ein Opfer der heftigsten Kämpfe, die das Herz eines jungen Mädchens erschüttern können, brachte Fräulein von Fontaine die reichste Schmerzensernte heim, die jemals Vorurteile und kleinlicher Sinn in eine Menschenseele gesät hatten. Ihr noch eben frisches, sammetweiches Gesicht zeigte Runzeln, einen gelblichen Ton und rote Flecke,
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