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Der Archipel in Flammen

Titel: Der Archipel in Flammen
Autoren: Jules Verne
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Gozzo, dem seine Kameraden aus Gewohnheit aufs Wort gehorchten.
    Man verstand, was der alte Seemann wollte. Nach zwei Minuten verlosch dies Feuer, das nichts weiter war als eine bloße Laterne, die auf der kleinen Mole oben an einer Mastspitze hing. Gleich darauf trat ein anderes Feuer in Sicht, und zwar zuerst aus der gleichen Richtung; während aber das erste von der Mole aus, wo es hing, dem Schiffer auf See einen festen Punkt wies, sollte ihn das zweite durch seine Beweglichkeit aus dem Kanal herauslocken und in die Gefahr des Aufrennens und Strandens setzen. Dieses trügerische Licht war nämlich ebenfalls eine Laterne, deren Schein von dem des Hafenlichts sich in keiner Weise unterschied. Aber diese zweite Laterne war einer Ziege an die Hörner gehängt, die am Klippenrande in langsamem Tempo entlang getrieben wurde. Ziege und Laterne veränderten also zusammen fortwährend ihren Standpunkt, wodurch die Sakolewa zu falschem Manövrieren veranlaßt werden sollte.
    Daß die Leute von Vitylo durch derartiges Verfahren Schiffe ins Unglück gelockt hatten, geschah nicht zum erstenmale. Nein, wahrlich nicht! und nur selten war es sogar vorgekommen, daß sie ihr Verbrechen erfolglos übten.
    Mittlerweile war die Sakolewa in den Kanal eingefahren. Sie hatte auch ihr Hauptsegel gerefft und trug bloß noch ihre lateinischen Segel am Hinterschiff und ihr Focksegel. Dieses verringerte Segelzeug mußte ihr ausreichen, um sie bis zur Anlände zu bringen.
    Zur höchsten Verwunderung der sie im Auge haltenden Seeleute kam die Sakolewa mit unglaublicher Sicherheit durch alle Windungen des Fahrwassers vorwärts. Um jenes bewegliche Licht an den Hörnern der Ziege schien sie sich gar nicht zu bekümmern. Beim hellsten Tageslichte hätte sie unmöglich richtiger steuern können; ihr Kapitän mußte also Vitylo schon häufig angelaufen haben, um mitten in finsterer Nacht hier eine Landung zu wagen.
    Schon wurde er sichtbar, dieser verwegene Seemann; seine Figur hob sich scharf heraus in dem Schatten auf dem Vorsteven der Sakolewa. Er stand, in die weiten Falten seiner Aba gehüllt einer Art wollnen Mantels mit Kapuze, die über den Kopf niederfiel; wahrlich! dieser Kapitän hatte nichts an sich von jenen ängstlichen Küstenfahrern, die bei keinem Manöver, das sie mit ihrem Fahrzeug ausführen, den Rosenkranz mit den großen Perlen, wie man sie fast überall im griechischen Archipel trifft, aus den Fingern legen. Nein! der hier gab dem am Hintersteven des kleinen Fahrzeugs postierten Steuermann seine Befehle mit leiser, ruhiger Stimme.
    Da verlöschte plötzlich die am Strande entlang wandernde Laterne. Aber die Sakolewa ließ sich dadurch nicht beirren, sondern verfolgte zielbewußt ihre Fahrt. Eine Weile lang konnte man glauben, sie müßte bei einer jähen Wendung gegen einen knapp über Wasser ragenden gefährlichen Felsen, in Kabellänge etwa vom Hafen entfernt, aufrennen, zumal derselbe in der herrschenden Finsternis unmöglich zu sehen war. Aber ein schwacher Druck des Steuers reichte, um die Sakolewa von dem Felsen abzubringen.
    Den Leuten von Vitylo blieb also keine Aussicht mehr auf die Vorteile einer Strandung, die ihnen die Sakolewa wehrlos überliefert haben würde. Nur noch Minuten konnte es dauern, bis sie im Hafen vor Anker liegen würde. Wollten sie sich ihrer bemächtigen, so blieb kein anderes Mittel mehr als sie zu entern.
    Eine kurze Erörterung fand zwischen dem Seeräubervolk statt, dann wurde beschlossen, in dieser Weise vorzugehen, die bei der noch immer herrschenden Dunkelheit auch Erfolg zu versprechen schien.
    "In die Boote!" rief der alte Gozzo, über dessen Kommandos niemals ein Wort fiel, vornehmlich dann nicht, wenn sie den Seeraub betrafen.
    Etwa dreißig kräftige Männer, manche mit Pistolen, überwiegend aber mit Dolchen und Beilen bewaffnet, stürzten in die am Kai festgemachten Boote und rückten, an Zahl ohne Frage der Besatzung der Sakolewa überlegen, vor.
    Da ertönte an Bord derselben ein kurzes Kommando. Das Schiff war aus dem Kanal heraus in den offenen Hafen gelangt, die Trossen wurden gelöst, der Anker faßte Grund und nach kurzer Erschütterung, veranlaßt durchs das Anziehen der Kette, lag das Schiff unbeweglich. Die Boote waren bis auf ein Paar Fadenlängen heran. Ohne auch nur gesteigertes Mißtrauen zu zeigen, aber in Kenntnis des schlimmen Rufes, in welchem die Leute von Vitylo stehen, hatte die Besatzung der Sakolewa, um für jeden Notfall gerüstet zu sein, zu den Waffen
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