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Der 7. Rabe (German Edition)

Der 7. Rabe (German Edition)

Titel: Der 7. Rabe (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt , Sandra Busch
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Rajs angestrengtes Ächzen lenkte gleich darauf selbst seinen wutentbrannten Bruder ab. Farouches Gestalt begann zu verschwimmen. Winselnd hielt der inne und auch Farres starrte ihn an. Sollte Raj das Unmögliche möglich machen und die Verwandlung seines Bruders umkehren können? Sein kleiner Rabe lag auf den Knien, hatte den Kopf in den Nacken geworfen und die Hände zu Fäusten geballt. Und tatsächlich schaffte es Raj. Farouche verwandelte sich gegen seinen eigenen Willen in einen Menschen zurück.
    „Wie?“, kreischte er. „Wie ist das möglich?“
    Farres trat näher, knurrte, fletschte die Zähne. Sein Bruder riss abwehrend einen Arm in die Höhe und duckte sich.
    „Nein!“, wimmerte er dabei. „Nein, das darf nicht sein. Ich bin der Alpha. Mir gehört das Rudel, mir allein.“
    Mit einem Satz war Farres über ihn und legte ihm symbolisch die Zähne um die Kehle. Dabei funkelte er das versammelte Rudel drohend an. Die Wölfe winselten und duckten sich. Niemand griff ein oder tat Anstalten, ihm seinen neuen Rang streitig zu machen. Im Gegenteil, Farres glaubte erleichterte Gesichter zu sehen. Mit einem Hochgefühl ließ er von dem besiegten Farouche ab und verwandelte sich ebenfalls zurück. Gerne hätte er sich jetzt in Rajs Arme geworfen und seinen phantastischen Geliebten geküsst und geherzt, doch das Rudel hatte Vorrang.
    „Gibt es irgendjemand, der nicht damit einverstanden ist, dass ich nun der Leitwolf bin?“, fragte er noch ein wenig außer Atem. „Gibt es jemanden, der meinem Weg des Friedens nicht gehen will? Ich verspreche, dass ich niemanden halten werde, der die Canisfeste verlassen möchte.“
    Niemand regte sich, niemand ging. Stattdessen herrschte aufgeregte Stille.
    „Wir werden die Grenzen zwischen Raben- und Wolfsgebiet neu ziehen und König Rajadas den Frieden anbieten. Es hat genug Blutvergießen ge…“
„ Vorsicht !“, schrie sein kleiner Rabe. Farres wirbelte herum. Dass sein verkrüppelter Fuß dabei nachgab, rettete ihm vermutlich das Leben. Denn Farouche hatte einen der über den Feuergruben hängenden Spieße ergriffen und damit heimtückisch nach ihm ausgeholt. Die eiserne Waffe schrammte über seine Haut, richtete aber zum Glück keinen größeren Schaden an. Hinter Farouche stürzte sich Raj auf den Schlangenzahn und rammte ihn in den Oberschenkel des Wahnsinnigen. Farouche heulte auf, fuhr herum und schlug Raj den Spieß ins Gesicht.
    „Nein!“, schrie Farres, als Blut nach allen Seiten spritzte. Einen Augenblick später gruben sich die Zähne seiner Wolfsgestalt tief in die Kehle seines betäubt zusammenbrechenden Bruders.
     
    ~*~
     
    Als Farres sich zurückverwandelte, blickte er zwischen seinem toten Bruder und seinem wie tot daliegenden Geliebten hin und her. Für einen langen Augenblick war er völlig bewegungsunfähig. Was sollte er jetzt tun? Hatte er nun alle verloren, die er liebte? Dann hörte er ein leises Stöhnen von den Lippen seines kleinen Raben und glitt an seine Seite.
    Rajs Nase war mindestens zwei Mal gebrochen, von da stammte all das Blut, das entsetzlich dramatisch auf dem bleichen Gesicht wirkte. Alles andere schien heil geblieben zu sein, wie Farres nach einigem Herumtasten erleichtert feststellte.
    „Bin ich abgestürzt?“ Raj hielt die Augen geschlossen, sein Flüstern war selbst für Wolfsohren kaum zu verstehen, und trotzdem machten Farres diese wenigen Worte glücklich. Sehr behutsam und zärtlich nahm er seinen Liebsten in die Arme.
    „Das nächste Mal ducke ich mich“, wisperte Raj und sah blinzelnd zu ihm hoch.
    „Es gibt kein nächstes Mal. Farouche ist tot. Ich hätte auf dich hören und von vorneherein die Vernunft vergessen sollen. Oh Gott, ich dachte, ich hätte dich verloren … Tu mir das nicht noch einmal an, Kleiner, bitte! Ich … ich liebe dich.“
    Die nachtschwarzen Augen füllten sich mit Tränen, die Farres zunächst für Schmerz oder Schlimmeres hielt; bis Raj ihm eine zittrige Hand an die Wange legte und murmelte:
    „Es tut mir so leid für dich … So leid … Ich wünschte, es hätte einen anderen Weg gegeben.“
    Da lag sein kleiner Rabe blutüberströmt in seinen Armen, schien selbst gerade eben dem Tod entkommen zu sein und versuchte, ihn zu trösten. Er hatte sogar darauf geachtet, die noch empfindsame Narbe an Farres’ Ohr zu meiden, die von den Schlangen so aufwändig vernäht worden war. Wenn Farres nicht längst gewusst hätte, wie sehr er diesen Mann liebte, dann wäre es ihm spätestens jetzt
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