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Date mit meinen Ichs

Date mit meinen Ichs

Titel: Date mit meinen Ichs
Autoren: Oscar J Winzen
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erklären, weil sie aufgrund ihrer Hilfsbereitschaft sehr viel Wertschätzung erfahren. Nach und nach spüren sie jedoch, dass sie sich selbst vernachlässigt und ihre eigenen Sehnsüchte und Träume verdrängt haben. Wenn das Kritische Eltern-Ich hier noch unterstützend mitwirkt und der Person täglich signalisiert, dass sie keinen Anspruch auf die Erfüllung ihrer Sehnsüchte hat und Selbsterfüllung nur etwas für Esoteriker und Träumer ist, geschieht der Aufwachprozess manchmal erst auf dem Sterbebett. Dabei klagt nun das Kindheits-Ich das Kritische Eltern-Ich an und fragt es voller Verbitterung, warum es ihm für die Erfüllung seiner Wünsche, Träume und Sehnsüchte so massiv entgegentrat. Aus der Frage wird eine Anklage an das Kritische Eltern-Ich. Was bleibt, ist Verbitterung und ein trauriger Rückblick auf verpasste Chancen.
    „Die Vergangenheit kann uns nicht sagen, was wir tun, wohl aber was wir lassen müssen.“
Josè Ortega y Gasset
    Nachdem Sie nun die einzelnen Ich-Zustände kennen gelernt haben, werden Sie verstehen, was in Ihnen vorgeht, wenn Sie ein Selbstgespräch führen. Halten wir an dieser Stelle fest: Selbstgespräche können sehr konstruktiv sein, vorausgesetzt, Sie sind sich im Klaren darüber, mit welchem Ich-Zustand Sie im Dialog sind und wer gerade die Oberhand hat. Ich möchte Ihnen anhand eines mir bewusst provokativen Beispiels verdeutlichen, wie Dialoge zwischen den einzelnen Ich-Zuständen ablaufen könnten.
    „Soweit deine Selbstbeherrschung geht, soweit geht deine Freiheit.“
Marie von Ebner-Eschenbach
    Ein attraktiver Mann, verheiratet, wohnhaft in München, ist beruflich für eine Woche in Frankfurt unterwegs. An einem dieser Abende lernt er eine ebenso attraktive Frau kennen. Auch sie ist verheiratet und hat einige Tage beruflich in Frankfurt zu tun. Das Natürliche
    Kindheits-Ich des Mannes meldet sich spontan zu Wort und signalisiert dem Erwachsenen-Ich eine Bestellung, wie schön es wäre, mit dieser hübschen Frau eine Nacht zu verbringen. Bevor allerdings das Natürliche Kindheits-Ich diesen Wunsch fertig äußern kann, schießt von oben das Kritische Eltern-Ich hinab und legt sein Veto gegen den Untreuegedanken ein. Dessen ungeachtet startet das Natürliche Kindheits-Ich einen erneuten Versuch, dem Erwachsenen-Ich die konkrete Bestellung zu unterbreiten. Da dieses die Sachlage emotionslos begutachtet, erlaubt es sich, das Natürliche Kindheits-Ich darauf hinzuweisen, an die Konsequenzen zu denken und, für den Fall der Fälle, unbedingt ein Kondom zu benutzen. Der Mann ist hin und her gerissen zwischen dem, was das Natürliche Kindheits-Ich in ihm will und dem, was das Kritische Eltern-Ich verbietet. Diese Zerrissenheit nimmt zu, als die Frau ihrerseits zu verstehen gibt, wie anziehend sie ihn findet. Nun ändert sich auf Grund eines elegant eingeleiteten Schachzuges des Mannes das Mitspracherecht des Erwachsenen-Ichs, wie auch das des Kritischen Eltern-Ichs, und zwar für ihn ebenso wie für die Dame. Sowohl das Erwachsenen-Ich als auch das Kritische Eltern-Ich sind in wenigen Minuten nicht mehr in der Lage, ihr Veto einzureichen. Was ist geschehen?
    Die beiden ließen sich eine Flasche Champagner servieren. Somit sind das Erwachsenen-Ich und das Kritische Eltern-Ich außer Gefecht geraten! Der bekannte Satz „In vino veritas – Im Wein steckt Wahrheit“ scheint sich zu bewahrheiten.

    Menschen, die leicht alkoholisiert sind, können losgelöst vom Kritischen Eltern- und vom Erwachsen-Ich im wahrsten Sinne des Wortes frei und unbedacht wie ein Kind sein, also vollkommen authentisch. Kein innerer Dialog verwehrt den Weg, das zu sagen, was sie fühlen und was sie möchten.
    Doch kehren wir zu unserem Paar zurück. Die beiden hatten aus der Perspektive des natürlichen Kindheits-Ichs eine wunderbare Nacht. Die Leber hat indessen ihren Job verrichtet und beide sind wieder nüchtern. Nun holt selbstverständlich das Kritische Eltern-Ich all das nach, was es zuvor aufgrund seiner Betäubung nicht tun konnte. Es prügelt förmlich auf das Natürliche Kindheits-Ich ein und sagt: „Was hast du da gemacht? Schäme dich! Wie konntest du nur!“ Im gleichen Atemzug klagt das Erwachsenen-Ich das Natürliche Kindheits-Ich an und fragt, ob es noch zu retten sei, mit einer wildfremden Frau zu schlafen und das auch noch, ohne ein Kondom zu benutzen. Das Natürliche Kindheits-Ich fühlt sich erbärmlich und will ganz weit weg. Getragen von einem schlechten Gewissen sucht das
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