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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14
Autoren: Émile Zola
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Fagerolles’ übereinstimmt, auf Carolus Durand. Auch er ist ein »geschickter Fälscher«. »Er macht Manet dem Bürger verständlich. Er läßt sich von ihm nur bis zu den gesteckten Grenzen inspirieren, indem er ihn, dem Geschmack des Publikums entsprechend, zurechtwürzt. Hinzu kommt, daß er ein sehr geschickter Techniker ist, der der Mehrheit zu gefallen versteht. Er erfreut sich eines großen Rufes, nicht so solide wie der Cabanels, dafür aber lärmender.« Er treibt seine Kühnheit gerade so weit, das Publikum angenehm zu schockieren. Er gilt für originell, ohne es zu sein. Seine »Geschicklichkeit« prädestiniert ihn zur Porträtmalerei. Er ist eine Art Manet, übersetzt in die Vorstellungswelt und den Geschmack der Bourgeoisie, »die wie toll nach ihm ist«. Diese Kritiken könnten eine Charakteristik Fagerolles’ aus dem Entwurf sein. Im Roman aber spielt Fagerolles als Jurymitglied außerdem noch die reale Rolle Guillemets gegenüber Cézanne.
    Ist die Darstellung der Beziehungen Claudes zu der ihn umgebenden Gruppe und den jüngeren akademischen Malern offensichtlich der realen Rolle Manets innerhalb seiner Zeit nachgebildet, so trifft Claudes Wunschtraum, große Flächen zu malen, sowohl auf Manet als auch auf Cézanne zu.
    Als echte Künstler mit dem Streben, Großes, Gültiges zu geben, empfanden sie die vorgegebene Begrenzung ihrer möglichen Themen durch die nicht überschreitbaren Ausmaße ihrer für die Enge bürgerlicher Wohnzimmer bestimmten Bilder als eine Deformierung ihrer Fähigkeiten.
    Deshalb klagte Cézanne gegen Ende seines Lebens, daß man ihm zwar kleine Stilleben abkaufe, aber keinen großen Wandbildauftrag gebe. »Man zahlt zehntausend Francs für irgendeinen Mist, man täte besser, mir Kirchenmauern, den Saal eines Krankenhauses oder eines Rathauses zu geben und mir zu sagen: Scheren Sie sich dahin! Malen Sie uns eine Eheschließung, eine Genesung, eine schöne Ernte! Dann würde sich vielleicht herausstellen, was ich in mir trage … und das wäre Malerei.«
    Deshalb wandte sich Manet 1879 an die Stadtväter von Paris mit dem Vorschlag, die Wände des neuen Rathauses mit dem »Bauch von Paris« zu bemalen. (Die in Aussicht genommene Thematik zeigt von der umgekehrten Seite, der der Maler, ebenfalls die oben erwähnte Gemeinsamkeit der aufgegriffenen Themen bei Impressionisten und Naturalisten: In diesem Fall handelt es sich sogar um eine direkte Reminiszenz an Zola.) Und in Roman ruft Claude verzweifelt aus: »Ach, alles sehen und alles malen! Meilenlange Gemäuer über und über bemalen, die Bahnhöfe, die Markthallen, die Bürgermeistereien ausschmücken, alles, was man bauen wird, wenn die Architekten keine Trottel mehr sind! … Fresken, wie das Pantheon so hoch!« Sein annähernder Versuch, diesen Wunschtraum in Wirklichkeit umzusetzen, ist sein erstes großes Bild, fünf Meter breit und drei Meter hoch, das Gemälde »Im Freien«, das er auf dem Salon der Abgelehnten ausstellt.
    Es erinnert in Vorwurf, Ausmaß und Ausstellungsort an Manets »Frühstück im Freien«. Dieses war nach Zolas eigenen Worten aus seinem Artikel über Manet »die größte Leinwand« des Meisters, die, »in der er seinen Traum verwirklichte, den Traum aller Maler, Figuren von natürlicher Größe in einer Landschaft darzustellen«.
    Auch der malerische Vorwurf beider Bilder ist im Grunde der gleiche, die Darstellung des Farbkontrastes zwischen den leuchtenden Fleischtönen nackter Frauenkörper und den kompakten dunklen Flächen bekleideter Herren. Diese ungewöhnliche Zusammenstellung stieß beim Publikum des Zweiten Kaiserreiches auf das gleiche Unverständnis wie Claudes Bild im Roman.
    »Diese nackte Frau hat das Publikum entsetzt, das nur noch sie auf dieser Leinwand gesehen hat … was für eine Geschmacklosigkeit: eine Frau ohne den geringsten Schleier zwischen zwei bekleideten Herren! Das hatte man ja noch nie gesehen«, schrieb Zola in seinem Artikel, um dieser Spießermeinung sofort als Argument entgegenzuhalten, daß sich im Louvre mehr als fünfzig Bilder befinden, auf denen bekleidete und nackte Personen gemeinsam dargestellt sind. In den Gesprächen zwischen Claude, Sandoz und Dubuche, der die Meinung des bürgerlichen Durchschnittspublikums vertritt, spiegeln sich diese Auseinandersetzungen fast wortwörtlich wider: »Bloß dieser ganz angezogene Herr dort inmitten der nackten Frauen … So was hat man noch nie gesehen.« Worauf ihm die beiden anderen sofort entgegenhalten: »Gibt
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