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Das verwunschene Tal

Das verwunschene Tal

Titel: Das verwunschene Tal
Autoren: Hans Kneifel
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Sadagar.
    »Ich auch nicht«, bestätigte Nottr.
    Mythor ging zwischen den Säulen und den Wänden hin und her. Jeder Schritt wirbelte Unmengen feinen Staubes hoch, in dem sich die grellen Sonnenstrahlen brachen. Gläserne und eiserne Augen sahen ihn unergründlich an, steinerne Augen zwinkerten aus hölzernen Gesichtern, in denen die Maserung Teil des Ausdrucks war. Nicht einmal ein einziges erklärendes Schriftzeichen war unter oder neben den Masken angebracht.
    Doch! Es gab eine Gemeinsamkeit.
    Alle Augen, auch die einzelnen Augen jener gespaltenen und zerrissenen Masken, blickten stets den Besucher an, aus allen Winkeln, aus jeder Ecke, von unten herauf und oben herunter. Mythor prüfte eine hölzerne Maske, die von der Stirn bis zum Kinn zackig gespalten war. Es hatte niemals eine andere Hälfte gegeben. Das Holz, das nicht die geringsten Zerfallserscheinungen zeigte, war entsprechend bearbeitet worden.
    »Nur der Lichtbote weiß, was das zu bedeuten hat«, murmelte Mythor. Seine Worte hallten mehrfach wider, als ob die Masken leise miteinander sprächen.
    »Auch Hester hat's nicht gewusst«, krächzte Nottr und hustete, weil ihm Staub in die Kehle geraten war.
    »Du hast recht. Für irgend jemanden wird diese Ruine sehr viel Bedeutung haben. Für uns nicht. Vielleicht einmal viel später«, beschwichtigte sich Mythor selbst und verließ langsamen Schrittes den Raum. Ihm war, als bohrten sich die Blicke der stummen Phantasiegeschöpfe dort drinnen zwischen seine Schulterblätter.
    Sie folgten den Spuren Hesters.
    Sie wanden sich durch einen Teil der Ruine. Der kreisförmige Rand, wo die Kuppel begann und am niedrigsten war, schien am besten erhalten zu sein. Nur wenige Risse zeigten sich hier. Aber vor kurzer Zeit waren schwere Quader aus der Kuppel heruntergefallen; man sah deutlich die frischen Brüche und Splitter. Säulen lagen geborsten am Boden. Zwischen Trümmern wuchsen Pflanzen, aus den Ecken drängte das Moos hervor. Die Tiere hatten einen breiten Pfad hinterlassen, der schließlich abwärts führte und an einer Rampe endete. Wieder lag vor Mythor ein Haufen Schutt, der einmal ein Portal gewesen war. Hesters Spur führte hindurch und darüber.
    Ein riesiger Saal tat sich auf. Undeutlich waren Räder und Taue zu erkennen. Ein gewaltiger Mechanismus, der wie das Räderwerk eines Schöpfbrunnens aussah, befand sich in der Mitte der Halle. Eine Hälfte des Rades verschwand in einer Aussparung des Steinbodens. Lange Stangen mit merkwürdigen Knoten, Gitterwerke und Hebel, abermals Seile verschiedener Stärke, Platten und Kugeln füllten die Halle aus, ragten ineinander und schienen zusammenzugehören. Wieder fielen die Eindringlinge in ehrfürchtig verwundertes Staunen.
    Die Materialien waren Holz und Leder, Tauwerk und verschiedenartige Metalle. Hin und wieder waren schwere Steinbrocken durch eiserne Bänder an langen Hebeln befestigt. Als Mythor sich trotz seiner Verblüffung einige Schritte weit in das Zentrum der Anlage hineinwagte, stieß er mit der Schulter an einen eisernen Stab.
    Der Stab bewegte sich mit einem misstönenden Kreischen. Und dann…
    Von der Decke senkte sich ein Steinbrocken, so groß wie zwei Pferde. Alle Räder begannen sich zu drehen. Hebel hoben und senkten sich. Geräusche aus einer anderen Welt ertönten. Seile spannten sich und drehten Räder in verschiedenen Geschwindigkeiten. Es summte, klingelte, ächzte und krachte. Alles, was so aussah, als könne es sich bewegen, bewegte sich auch. Ein Hammer schlug dröhnend auf eine Eisenplatte, die größer als ein Schild war. Ein anderer Hammer drosch auf dicke Metallstangen ein, die glockenartige Töne von sich gaben.
    Beim ersten Geräusch waren Nottr, Kalathee und Sadagar aus dem Raum hinausgestürzt. Mythor zog sich Schritt um Schritt zurück, das Schwert Alton wie zum Schutz erhoben. Einzelne Teile dieses erstaunlichen Dinges lösten sich auf, brachen auseinander, sprangen aus den Lagern und rollten davon. Steine zerbrachen und zerschmetterten die Hebel, die auf und nieder tanzten. Es schrillte, kreischte und krachte. Überall lösten sich dichte Staubschichten auf und machten Teile dieses Mechanismus unsichtbar.
    Mit einem gewaltigen Geräuschorkan, der in den Ohren dröhnte und chaotisch widerhallte, brach dieses uralte Ding zusammen. Teile polterten auf den Boden, andere verkeilten sich ineinander und brachen. Seile klatschten gegen die Wände und verwickelten sich in anderen Teilen. Aber noch immer sank der riesige Stein
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