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Das Tor Zur Hölle

Das Tor Zur Hölle

Titel: Das Tor Zur Hölle
Autoren: Clive Barker
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Haut.
    Dem Erbrechen nahe, wandte Kirsty den Blick ab.
    »Bist du nun zufrieden?« fragte Julia.
    Kirsty gab keine Antwort, sondern verließ das Zimmer und trat hinaus auf den Flur. Die Luft neben ihrer Schulter waberte.
    (»Dw hast verloren«, sagte etwas dicht neben ihr.
    »Ich weiß«, murmelte sie.)
    Die Glocke hatte zu läuten begonnen, ohne Zweifel läutete sie für sie; und ganz aus der Nähe ertönte das lärmende Flattern von Hügeln, ein Karneval von aasfressenden Vögeln näherte sich. Sie eilte die Treppe hinunter und betete dabei, daß sie nicht eingeholt wurde, bis sie die Tür erreichte. Wenn sie ihr schon das Herz herausrissen, so sollte wenigstens Rory dieser Anblick erspart bleiben. Er sollte sie stark in Erinnerung behalten; mit einem Lachen auf ihren Lippen, nicht mit flehentlichen Bitten um Gnade.
    Hinter ihr sagte Julia: »Wo willst du denn hin?« Als sie keine Antwort erhielt, fuhr sie eindringlich fort: »Sag nianden ein Sterbenswörtchen, Kirsty. Wir werden schon allein damit fertig, Rory und ich …«
    Ihre Stimme hatte Rory von seinem Drink herbeizitiert.
    Er trat in den Flur. Die Wunden, die Frank ihm beigebracht hatte, sahen schlimmer aus, als Kirsty im ersten Moment gedacht hatte.
    Sein Gesicht war von einem Dutzend blauer Hecke überzogen, und die Haut an seinem Hals war aufgekratzt.
    Als sie auf seiner Höhe war, streckte er die Hand aus und packte sie am Arm.
    »Julia hat recht«, sagte er. »Überlaß es uns, ja?«
    Es gab so viele Dinge, die sie ihm in diesem Augenblick sagen wollte, doch ihr blieb keine Zeit dafür.
    Die Glocke in ihrem Kopf wurde lauter. Irgend jemand hatte etwas um ihren Hals geschlungen und zog den Knoten zu.
    »Es ist zu spät…«, flüsterte sie Rory zu und schob see Hand beiseite.
    »Was meinst du damit?« rief er ihr hinterher, als sie die letzten Meter zur Haustür zurücklegte. »Geh nicht, Kirsty! Jetzt noch nicht. Sag mir, was du damit meinst.«
    Sie konnte nicht anders, als ihm einen Blick über die Schulter zuzuwerfen und zu hoffen, daß er in ihrem Gesicht all das Bedauern lesen würde, das sie empfand.
    »Es ist alles gut«, sagte er sanft, noch immer hoffend, daß er sie beruhigen könne. »Wirklich.« Er breitete die Arme aus. »Komm zu Daddy«, sagte er.
    Diesen Satz aus Rorys Mund zu hören, war schrecklich.
    Manche Jungen wurden nie erwachsen genug, um Daddys zu werden, egal, wieviele Kinder sie zeugten.
    Kirsty preßte die Hand gegen die Wand, um sich abzustützen.
    Dies war nicht Rory, der zu ihr sprach. Es war Frank.
    Irgendwie war es Frank …
    An diesem Gedanken klammerte sie sich fest, während das Läuten der Glocken immer lauter wurde, so laut, daß ihr Schädel schier zerspringen wollte. Rory stand noch immer mit ausgebreiteten Armen da und lächelte sie an.
    Er sprach, doch sie konnte nicht mehr hören, was er sagte. Aus dem schimmernden Fleisch seines Gesichts drangen Worte, doch die Glocken übertönten sie. Sie war dankbar dafür; dies machte es ihr einfacher, zu verstehen, was ihre Augen plötzlich sahen.
    »Ich weiß, wer du bist…«, sagte sie. Sie war sich nicht sicher, ob ihre Worte hörbar waren oder nicht, doch sie war sich vollkommen sicher, daß sie der Wahrheit entsprachen. Oben lag Rorys Leiche — war dort in Franks abgestreifte Verbände gehüllt liegengelassen worden. Die gestohlene Haut war nun mit dem Körper seines Bruders vermählt, die Hochzeit besiegelt durch das Vergießen von Blut. Ja! So war es.
    Die Schlingen um ihren Hals zogen sich fester zusammen; es blieben ihr nur noch wenige Augenblicke, bis man sie davonschleppte. In ihrer Verzweiflung kehrte sie um und ging den Flur entlang auf das Etwas hinter Rorys Gesicht zu.
    »Du bist es …«, sagte sie.
    Das Gesicht lächelte sie unbeeindruckt an.
    Sie streckte die Hand aus und griff nach ihm. Überrascht trat er einen Schritt zurück, um ihrer Berührung auszuweichen und schaffte es auch, obgleich er sich mit einer seltsam graziösen Langsamkeit bewegte. Die Glocken waren unerträglich laut geworden; sie zerstampften ihre Gedanken, läuteten ihr Gehirn zu Staub.
    Schon am Rande des Wahnsinns stehend, griff sie nochmals nach ihm, und diesmal schaffte er es nicht ganz, ihr zu entkommen. Ihre Nägel bohrten sich in das Fleisch seiner Wange, und die Haut, erst so kurz darübergezogen, rutschte herab wie Seide. Das bluttriefende Heisch darunter bot einen grauenhaften Anblick.
    Julia schrie hinter ihr auf.
    Und plötzlich erklangen die Glocken nicht länger in
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