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Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Beate Maly
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draußen Schritte näherten. Jemand kam auf die Kellertür zu, und dabei war ein schleifendes Geräusch zu vernehmen. Der Hinkende mit der Hand ohne Finger! Janas Herz schlug so laut und schnell, dass es in ihren Ohren pochte. Langsam öffnete sich oben die Tür, eine dunkle Gestalt mit einer Laterne in der Hand trat ein und kam schlurfend die Treppe herunter.
    Zuerst war Jana vom Licht geblendet, sie blinzelte. Doch kaum hatten ihre Augen sich an die Helligkeit gewöhnt, erblickte sie ein so grauenvoll entstelltes Gesicht, dass sie lautstark die Luft einsog und sich noch fester gegen die Wand drückte. Der Mann grinste über ihr Entsetzen und trat ganz nah an sie heran, wobei er sein steifes Bein geräuschvoll hinter sich herzog. Langsam und mühevoll hockte er sich neben sie und hielt die Laterne nun dicht vor sein hässliches Gesicht. Das flackernde Licht warf bizarre Schatten auf die Fratze und ließ sie noch schrecklicher erscheinen.
    »Ihr findet mich abstoßend«, stellte er mit einem kalten Lachen fest. »Soll ich Euch zwingen, die Narben anzufassen?«
    Seine Stimme klang hasserfüllt, aber warum? Vielleicht hasste er sich selbst und sein entstelltes Antlitz?
    Jana rümpfte die Nase, jedoch nicht wegen der Fratze, sondern wegen des aufdringlichen Geruchs nach Moschus.
    »Ich löse bei allen Menschen diese Reaktion aus. Ich habe das Gesicht eines Monsters.«
    »Euer Parfum nimmt mir die Luft zum Atmen«, erwiderte Jana und drehte den Kopf weg. Sichtlich überrascht über ihre Antwort stand der Mann auf und schnaufte laut.
    »Ich nehme an, Ihr ahnt bereits, was ich von Euch und dem Arzt haben will. Ihr besitzt die Reisetagebücher und das Schmuckstück eines Jesuitenmönchs. Beides gehört dem Papst, und der will sein Eigentum zurück. Da Euer Freund sein Diebesgut wohl nicht freiwillig hergeben wird, werde ich ihn davon überzeugen müssen, dass er Euch, wenn er sich weigert, nicht mehr lebend sehen wird.« Er hörte sich an wie ein Kaufmann, der erklärte, welche Ware er zu welchem Preis verkaufen wollte.
    Jana schluckte hart. Sie war sicher, dass Conrad die Bücher gegen sie eintauschen würde. Vorausgesetzt, er hatte sie noch.
    »Was, denkt Ihr, wird ihn am ehesten überzeugen?«, fragte der Entstellte, und erneut waren Hass und Zorn in seiner Stimme zu hören, deutlicher als zuvor. Er verzog seinen Mund zu einem hässlichen, gefährlichen Grinsen. »Euer kleiner Finger? Oder vielleicht besser Euer Zeigefinger?«
    Jana gefror das Blut in ihren Adern. Der Mann wollte ihr einen Finger abschneiden! Schon hatte er ein Messer aus seiner Umhängetasche hervorgeholt. Dabei musste er sich vorbeugen. Unter seinem Umhang baumelte das schwere Kreuz eines Mönchs, es war das gleiche, das Jendrik besessen hatte. Eines, wie Abt Nicola und Abt Etienne es um den Hals getragen hatten. Der Mann war Jesuit, ein Mann Gottes. Janas Übelkeit nahm zu.
    »Auch Ihr habt Schuld daran, dass meine rechte Hand keine Finger mehr hat. Es ist also nur gerecht, wenn Ihr nun ebenfalls einen Finger verliert.« Er lachte tief und bedrohlich. Als er mit dem Messer auf Jana zutrat, umgab sie erneut der ekelerregende Moschusduft. Ihr wurde übel, und dann kam die Dunkelheit zurück.
    Conrad erwachte aus seinem kurzen Schlaf, weil ein Fischer aufgebracht auf ihn einredete. Er wollte sein Boot losmachen, das an Conrads Sitzplatz festgebunden war.
    Rasch sprang Conrad auf und taumelte benommen zurück zur Herberge. Kurz keimte in ihm die Hoffnung auf, Jana könnte in der Zwischenzeit vielleicht zurückgekommen sein und nun lächelnd auf dem Bett sitzen und über seine unnötigen Sorgen lachen. Aber als Conrad die Stube der Unterkunft betrat, schüttelte seine Vermieterin nur traurig den Kopf. Jana war noch immer verschwunden. In seiner Ratlosigkeit beschloss Conrad, Ferdinand aufzusuchen.
    Der Freund saß im Schatten eines ausladenden Feigenbaums in seinem herrlich gepflegten Garten und war höchst konzentriert über ein Buch gebeugt. Der Baum trug eine Unmenge reifer Früchte, die darauf warteten, geerntet zu werden. Eine davon fiel direkt neben Ferdinand ins Gras, aber der Wissenschaftler schien sich gar nicht daran zu stören. Anders als Conrad wirkte er überhaupt nicht müde, ganz im Gegenteil, die durchgearbeitete Nacht hatte ihn erfrischt und neue, ungeahnte Kräfte in ihm geweckt.
    Als er Conrad bemerkte, sprang er von seinem Stuhl auf und rief: »Stell dir vor, es ist tatsächlich Raleighs Karte! Die Jesuiten müssen sie ihm abgenommen
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