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Das schoenste Geschenk

Das schoenste Geschenk

Titel: Das schoenste Geschenk
Autoren: Nora Roberts
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sie unterdrückt. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte es noch einmal. In diesem Moment packte sie jemand beim Arm. Sie verlor die Balance und wurde im selben Augenblick von Victor Banning aufgefangen. »Sie haben mich zu Tode erschreckt!«, sagte sie vorwurfsvoll.
    »Wissen Sie nicht, dass man nie einen Stuhl als Leiter benutzen sollte?« Er fasste sie um die Taille und hob sie vom Stuhl. Ihr Haar war zerzaust, und sie hielt sich an seinen Armen fest, während sie zu ihm auflächelte. Ohne zu überlegen, was er tat, beugte sich Victor zu ihr hinab.
    Sharon wehrte sich nicht dagegen. Im Gegenteil, sie stellte fest, dass sie freudig überrascht war. Dann entspannte sie sich. Obwohl sie mit diesem Kuss so früh noch nicht gerechnet hatte, war ihr klar gewesen, dass es irgendwann so kommen musste. Und deshalb gab sie sich ganz ihren Empfindungen hin.
    Sein Kuss war hart, ohne jede Spur von Zärtlichkeit, keine Geste der Zuneigung oder gar Liebe. Doch sie fühlte, dass Victor auch zärtlich sein konnte. Sharon hob die Hand, um seine Wange zu streicheln und den Aufruhr der Gefühle zu besänftigen, den sie in ihm spürte. Sofort ließ Victor sie los. Die Berührung ihrer Hand war zu vertraulich gewesen.
    Irgendwie ahnte Sharon, dass sie auf sein impulsives Verhalten besser nicht einging. Auch wenn sie sich danach sehnte, noch einmal von ihm in die Arme genommen zu werden. Lächelnd blickte sie zu ihm auf. »Guten Morgen«, sagte sie so unbefangen wie möglich.
    »Guten Morgen«, erwiderte er zurückhaltend.
    »Ich mache gerade Bestandsaufnahme«, erklärte sie mit einer weit ausholenden Handbewegung. »Ich will jedes Stück auflisten, bevor ich das Erdgeschoss ausräume. In diesem Raum hier möchte ich das Museum einrichten, in den übrigen Zimmern mein Geschäft. Könnten Sie vielleicht das oberste Bord für mich abräumen?«
    Schweigend kam Victor ihrem Wunsch nach. Dass sie den Kuss mit keinem Wort erwähnt hatte, verwirrte ihn.
    »Die alte Küche hier unten umzubauen und eine neue im ersten Stock einzurichten wird am meisten Zeit in Anspruch nehmen«, fuhr Sharon fort. Sie wusste, dass Victor auf irgendeine Reaktion von ihr wartete, und sie war entschlossen, ihm diese zu versagen. »Natürlich müssen auch ein paar Wände herausgerissen und einige Türrahmen erweitert werden. Aber ich will auf jeden Fall die Atmosphäre des Hauses erhalten.«
    »Sie scheinen ja alles schon genau geplant zu haben.« Ist sie wirklich so kühl?, fragte sich Victor im Stillen.
    »Selbstverständlich.« Sharon schaute sich im Zimmer um. »Ich habe den notwendigen Papierkram schon erledigt. Das war vielleicht ein Unternehmen! Weil ich absolut keinen Geschäftssinn habe, kostet mich alles doppelt so viel Mühe. Aber ich muss es lernen. Dieser Laden ist meine große Chance.« Bei den letzten Worten hatte ihre Stimme fest und entschlossen geklungen.
    »Wann wollen Sie eröffnen?«
    »Wenn möglich, Anfang Dezember. Es hängt davon ab, wie schnell ich mit den Umbauten vorankomme. Ich zeige Ihnen den Rest des Hauses, dann können Sie entscheiden, ob Sie mir bei der Arbeit helfen wollen.«
    Ohne auf Victors Zustimmung zu warten, ging Sharon in den hinteren Teil des Hauses. »Die Küche ist ziemlich groß. Wenn die Schränke ausgebaut werden, habe ich eine Menge Platz in diesem Raum.«
    Sie betraten das Esszimmer mit seinen hohen altmodischen Fenstern. Victor fiel die Zielstrebigkeit auf, mit der sie sich bewegte. Sie schien genau zu wissen, was sie wollte.
    »Der Kamin ist jahrelang nicht benutzt worden. Ich weiß gar nicht, ob er noch funktioniert.« Sie ging zum Esstisch und strich liebevoll über die Tischplatte. »Dies ist das Prunkstück aus der Sammlung meiner Großmutter. Der Tisch wurde vor über hundert Jahren aus England herübergebracht. Die Stühle sind von Hepplewhite.« Sie streichelte die herzförmige Rückenlehne eines der sechs Stühle. »Es tut mir richtig weh, diese Sachen zu verkaufen. Großmutter liebte diesen Tisch und die Stühle …« Ihre Stimme klang plötzlich wehmütig. »Ich habe keinen Platz, sie unterzustellen. Und den Luxus, sie für mich aufzuheben, kann ich mir nicht leisten. Der Geschirrschrank stammt aus der gleichen Zeit.«
    »Sie sollten all diese Sachen behalten, das Haus lassen, wie es ist und eine Stelle an der hiesigen Schule annehmen«, unterbrach Victor sie.
    Es hatte etwas Rührendes, wie sie tapfer die Schultern straffte, während ihre Stimme zitterte. »Nein.« Sharon schüttelte den
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