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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend
Autoren: Charles Bukowski
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warten schon seit
Jahrhunderten darauf. Sie sind bis jetzt bloß nicht dazu
gekommen, weil sie mit den Japsen alle Hände voll zu tun
hatten.«
    »Wer sind die besseren Kämpfer, die Chinesen oder die Japse?«
    »Die Japse. Das Problem ist, die Chinesen sind zu viele. Wenn man einen Chink totschlägt,
teilt er sich, und man hat zwei Chinks.«
»Wie kommt es, dass ihre Haut gelb ist?«
»Weil sie statt Wasser ihr eigenes Pipi trinken.«
»Daddy, erzähl doch dem Jungen nicht solche Sachen!«
»Dann sag ihm, er soll mit seinen Fragen aufhören!«
    Es war wieder einmal ein warmer sonniger Tag in
Los Angeles. Wir fuhren und fuhren. Meine Mutter hatte ein gutes Kleid
angezogen und trug einen ihrer neumodischen Hüte. Wenn sich meine
Mutter herausgeputzt hatte, saß sie immer sehr aufrecht und
machte den Hals steif. »Ich wünschte, wir hätten genug
Geld, dass wir John und seiner Familie helfen könnten«,
sagte sie jetzt.
    »Es ist nicht meine Schuld, dass sie keinen
Pott haben, in den sie reinpissen können«, antwortete mein
Vater.
    »Daddy, John war im Krieg, genau wie du. Meinst du nicht, dass ihm da auch ein bißchen was zusteht?«
    »Er ist nie befördert worden. Ich hab
es zum Stabsfeldwebel gebracht.« »Henry, deine Brüder
können nicht alle sein wie du.«
    »Sie haben keinen gottverdammten Antrieb Sie denken, sie können einfach schmarotzen!«
    Onkel John wohnte mit seiner Familie in einem
kleinen Bungalow. Wir gingen über einen rissigen Gehsteig und
stiegen auf eine schiefe baufällige Veranda. Mein Vater
drückte auf die Klingel. Die Klingel ging nicht. Er hämmerte
an die Tür. »Aufmachen! Polizei!« brüllte er.
»Daddy, lass das doch!« sagte meine Mutter.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sich etwas tat.
Die Tür wurde einen Spalt geöffnet, dann ging sie weiter auf,
und wir sahen meine Tante Anna. Sie war sehr dünn, hatte
eingefallene Wangen und dunkle Tränensäcke unter den Augen.
Auch ihre Stimme klang sehr dünn. »Oh, Henry …
Katherine … bitte, kommt doch rein.«
    Wir folgten ihr hinein. Die Einrichtung war sehr
spärlich. Eine Frühstücksnische mit einem Tisch und vier
Stühlen. Zwei Betten. Meine Eltern setzten sich auf die
Stühle. Zwei Mädchen — sie hießen Katherine und
Betsy, wie ich später erfuhr - standen an der
Küchenspüle und versuchten abwechselnd, den letzten Rest
Erdnußbutter aus einer fast leeren Dose zu kratzen. »Wir
wollten gerade zu Mittag essen«, sagte Tante Anna.
    Jedes der Mädchen hatte ein trockenes Stück Brot und schmierte einen winzigen Rest
Erdnußbutter darauf. Sie sahen immer wieder in die Dose und
schabten mit einem
Küchenmesser darin herum.
»Wo ist John?« fragte mein Vater.
    Meine Tante ließ sich matt auf einen Stuhl
sinken. Sie war bleich und wirkte sehr schwach. Ihr Kleid war
schmutzig, ihr Haar ungekämmt. Alles an ihr wirkte müde und
traurig.
    »Er ist fort. Schon länger. Wir warten jetzt schon eine ganze Zeit auf ihn.« »Wo ist er denn hin?«
    »Ich weiß nicht. Er ist einfach mit dem Motorrad weggefahren.«
    »Der denkt nur an sein Motorrad. Das ist alles, was er tut«, sagte mein Vater.
»Ist das Henry junior?«
»Ja.«
»Er ist so still. Er macht nur große Augen.«
»So wollen wir ihn auch haben.«
»Stille Wasser sind tief.«
    »Das hier nicht. Das einzige, was bei dem
tief geht, sind die Löcher in seinen Ohren.« Die beiden
Mädchen gingen mit ihren Stullen hinaus, setzten sich auf die
oberste Stufe der Veranda und begannen zu essen. Sie hatten keinen Ton
gesagt. Ich fand sie ganz nett. Sie waren dürr wie ihre Mutter,
aber sie waren trotzdem recht hübsch. »Wie geht’s dir,
Anna?« fragte meine Mutter. »Ach, es geht so.«
    »Anna, du siehst nicht gut aus. Ich glaube, du brauchst mehr zu essen.«
    »Warum setzt sich euer Junge nicht hin? Setz dich doch, Henry.«
    »Er steht gern«, sagte mein Vater. »Das macht ihn kräftig. Er will stark werden, damit er
gegen die Chinesen kämpfen kann.«
»Magst du die Chinesen nicht?« fragte mich Tante Anna.
»Nein.«
»Tja, Anna«, sagte mein Vater, »wie steht’s denn so?«
    »Um ehrlich zu sein … schlimm. Der Hausbesitzer mahnt uns dauernd wegen der Miete. Er
kann sehr ungemütlich werden. Er macht mir Angst. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Ich höre, die Cops sind hinter John her«, sagte mein Vater.
»Er hat nicht viel gemacht.«
»Was hat er denn gemacht?«
»Nur ein paar falsche l0-Cent-Stücke.«
»Zehner? Herrgott nochmal, wie kann einer bloß so piefig sein!«
»John will
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