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Das Nest

Titel: Das Nest
Autoren: Val McDermid
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das Teewasser auf«, sagte sie und stieg aus dem Bett. Sie verschwand in dem Dusch- und Toilettenabteil hinten in der Ecke und überließ Lindsay das Hantieren mit dem Gaskocher.
    Dankbar dachte Lindsay, wie einfach doch alles mit Deborah war. Keine unnötigen Aufregungen, kein Druck. In den wesentlichen Dingen hatte sich seit ihrem ersten Kennenlernen nichts verändert. So natürlich schlüpften sie in die vertraute Routine, als lägen nicht Wochen oder Monate zwischen ihren Begegnungen, sondern nur ein paar Stunden. Mit Deborah fühlte Lindsay sich immer zu Hause, sei es nun vor einem Fordhamer Gericht oder in einem Campingbus.
    Gewaschen und angezogen, energisch ihr schulterlanges, gewelltes braunes Haar trockenrubbelnd, tauchte Deborah wieder auf. Sie schleuderte das Handtuch weg, griff nach einem Becher Kaffee und machte es sich gemütlich. Verschmitzt funkelte sie Lindsay aus ihren blauen Augen an.
    »Du hast dir das richtige Wochenende ausgesucht«, konstatierte sie.
    Lindsay lehnte sich in ihrem Sessel zurück. »Wieso?« staunte sie. »Laut Jane findet doch nur eine Routineblockade des Haupttores statt.«
    »Wir gehen rein. Durch den Stacheldraht. Wir glauben, daß wir es bis zu den Bunkern schaffen können, wenn wir es zwischen den Toren Drei und Vier probieren. Die Sicherheitsvorkehrungen sind dort nicht so toll. Irgendwo muß doch jeder acht Kilometer lange Zaun seine Schwachstellen haben. Das einzige frei liegende Gelände umfaßt knappe zehn Meter zwischen einem Ausläufer des Waldes und dem Gitter. Deshalb werden ein paar von uns ein Ablenkungsmanöver beim Haupttor starten, um sie zu beschäftigen, während die anderen durch den Draht in das Raketennest kriechen. Und rein zufällig kommt heute auch noch eine Fernsehcrew von Channel 4 herunter, um eine Dokumentation zu drehen.« Deborah grinste breit und zwinkerte Lindsay verschwörerisch zu.
    »Hervorragende Planung, Debs. Aber ist das nicht ein bißchen sehr viel Risiko für dich, mit dem Prozeß, der da auf dich zukommt? Sicher sacken sie dich gleich wieder ein, wenn du ihnen da drinnen über den Weg läufst?«
    »Genau aus diesem Grund haben wir beschlossen, daß ich nicht hineingehe. Ich nehme nur draußen am Ablenkungsmanöver teil. Und deshalb ist es auch so gut, daß du da bist. Wenn ich mir selber überlassen wäre, würde ich mich womöglich irgendwann mitten im schönsten Gewühl wiederfinden. Bevor ich überhaupt weiß, was mit mir passiert, bin ich wieder hinter Gittern.« Deborah lächelte ein wenig traurig. »Also, und da ich annehme, daß dir auch daran gelegen ist, nicht allzusehr aufzufallen, können wir gegenseitig aufeinander aufpassen. Was dagegen einzuwenden?«
    Lindsay zündete sich eine Zigarette an und zog den Rauch tief ein, bevor sie antwortete. »Gar nichts. Natürlich wär’s ein Traum, mit der anderen Gruppe hineinzugehen und einen Augenzeugenbericht zu machen. Aber wenn ich so an die Ansichten meines Chefs über Friedensaktivistinnen denke, dann kommt das eh nicht in Frage.«
    »Du kannst mir beim Singen helfen«, sagte Deborah. Sie lehnte sich quer über den Tisch zu Lindsay hin, griff schwungvoll nach ihrer Hand und drückte ihr einen Kuß auf den Mund. »Ach, tut das gut, mit dir zusammen zu sein«, stellte sie mit sanfter Stimme fest.
    Bevor Lindsay etwas sagen konnte, tauchten plötzlich Caras dunkelblonder Schopf und die roten Wangen hinter den Vorhängen auf. Sobald sie erkannt hatte, wer da war, kraxelte sie die Leiter herunter und warf sich Lindsay in die Arme. Nachdem sie die Besucherin ausgiebig abgeschmust hatte, erhielt Deborah von ihrer Tochter einen strafenden Blick. »Du hast mir gar nicht gesagt, daß Lindsay kommt«, beschwerte sich Cara.
    »Ich hab’s dir nicht erzählt, weil ich nicht wußte, ob sie wirklich kommt. Wenn Lindsay es nicht geschafft hätte, wären wir doch nur beide enttäuscht gewesen und das wollte ich nicht. Okay?«
    Das Kind nickte. »Was gibt’s zum Frühstück? Hast du Speck und Eier mitgebracht? Du hast es letztes Mal versprochen!«
    »Es ist mir gelungen, die Sachen an der vegetarischen Kontrolle beim Eingang vorbeizuschmuggeln«, scherzte Lindsay. »Ich weiß, du bist wie ich, Cara. Du magst das, von dem die anderen behaupten, daß es schlecht für dich ist.«
    »Was bist du bloß für ein verkommenes Subjekt«, gab sich Deborah entrüstet. »Immer noch wirfst du alle vegetarischen Nichtraucher in einen Topf und verarschst sie mit Genuß! Aber du solltest dabei nicht
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