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Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.
Autoren: Henry Slesar
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holte tief Atem und fuhr an die Seite, um einen Lastwagen vorbeizulassen. Whit Skinner war zu fasziniert, um einen Fluchtversuch zu machen. »Reden Sie weiter«, drängte er. »Was habe ich damit zu tun?«
    »Dazu komm ich jetzt«, sagte Fundello würdevoll. »Die­se Geschichte, von der ich Ihnen erzählt hab, die passierte vor rund sechs Monaten, und es wird und wird nich besser. Ich hab versucht, Carla zu einem dieser Gehirnklempner zu schleppen, aber sie will nich. Als ich dann vorn paar Wochen Sie zu sehn gekriegt hab, da hab ich mir selbst was überlegt, wie man Carla heilen kann.«
    »Mich? Wieso mich?«
    Fundello drehte sich um und griente ihn an.
    »Weil Sie, Mister, dem Tony Savantino gleichen wie ein verfluchtes Ei dem andern. Sie ham dieselben Augen und dieselbe Nase, und Sie tragen sogar sone Brille wie der Tony. Als ich Sie das erste Mal in der Madison Avenue gesehn hab, also ich schwör Ihnen, ich hätte auf der Stelle tot umfalln könn. Ich dachte, mamma mia, da geht Tonys Geist. Aber Sie sind kein Gespenst, oder?«
    »Ich heiße Whitman Skinner«, sagte Whit.
    »Na ja, dafür könn Sie ja nichts. Aber als ich Sie gesehn hab, da hab ich zu mir gesagt, Vincent, hab ich gesagt, das is die Antwort. Ich denk mir das so: Carla hatte einen furchtbaren Schock, klar? Und um sie zu heilen, braucht sie einen zweiten furchtbaren Schock. Verstehn Sie, was ich meine?«
    »Moment mal. Sie wollen sagen, ich sehe Carlas Mann so ähnlich?«
    »Sie könnten Zwillinge sein«, sagte Fundello leiden­schaftlich. »Wenn meine Schwester von irgendwas gesund werden könnte, Mann, dann von Ihrem Anblick.«
    Whit rutschte nervös hin und her. »Aber ich wüßte gar nicht, was ich zu ihr sagen sollte. Ich kann doch nicht wirklich so tun, als wäre ich ihr Mann.«
    Fundello gluckste. »Mister, Sie mein, das würde schwer sein? Warten Sie, bis Sie Carla kennlern. Wie ich sage, sie hätte ein Mannekwin sein könn, aber die wolln ja immer Bohnstangen. Carla is keine Bohnstange. Aber das könn Sie selbst sehn, wir sind gleich da.«
    Gleich hieß fünf Minuten. Fundello parkte sein Taxi vor einem Sandsteinhaus in einer angenehm von Bäumen be­schatteten Straße der Bronx. Er hielt seinem Fahrgast die Tür auf, und Whit stieg zögernd aus.
    »Komm Sie«, sagte Fundello grinsend, »es wird schon nich so schlimm wern.«
    Er ging hinter dem Taxifahrer die Stufen zur Haustür hinauf und dann eine steile, teppichbelegte Treppe bis zu der einzigen Tür im zweiten Stock.
    »Gehn Sie rein«, sagte der Taxifahrer. »S’is sozusagen ein Akt der Barmherzigkeit.«
    »Ja«, sagte Whit und trat ein.
    Zuerst konnte er das Gesicht des Mädchens, das da an dem kunststoffbeschichteten Küchentisch saß, nicht er­kennen; das schwarze Haar fiel ihr kaskadenartig über die Wange. Sie trug ein schwarzes Kleid, das ein oder zwei Nummern kleiner war, als es hätte sein sollen, wodurch Fülle hier und Rundungen dort betont wurden und sich ein Anblick von solch sinnlicher Üppigkeit bot, daß Whit Skinners klare Brillengläser beschlugen. Dann blickte sie auf, und er sah ihre dunklen, leuchtenden Augen und den feuchten roten Mund.
    »Gu... gu... ten«, sagte Whit, »A... a...«
    Er brauchte keine Worte zu finden. Carla schoß vom Küchenstuhl hoch und kam auf ihn zugedonnert wie eine dreidimensionale Erfüllung aller Wünsche. Ihr voller roter Mund war leicht geöffnet, ihre Augen glühten ekstatisch, ihr angespannter Körper bebte vor Erwartung. Sie warf sich auf ihn. Anfangs war er verkrampft, dann entspannte er sich. Entspannung war etwas Wunderbares. Er hatte nicht gewußt, wie wunderbar. Er hörte nicht einmal, wie Fundello das Haus verließ.
    Eine Stunde später klopfte Fundello leise an die Woh­nungstür. Clara machte auf, sagte ein paar Worte zu ihm auf Italienisch, und er winkte Whit mit dem Finger her­aus.
    Im Flur sagte der Taxifahrer: »Na, hab ich Sie angelo­gen, als ich gesagt hab, wie schön?«
    »Nein.« Skinner schluckte. »Überhaupt nicht.«
    »Sie gefällt Ihnen, richtig?«
    »Sie gefällt mir, richtig. Ich ... ich dachte, ich könnte morgen abend wiederkommen. Ihr vielleicht … ein biß­chen Englisch beibringen.«
    Fundello griente. »Sie sind ein echter Kumpel, Mr. Skinner. Ein richtiger, guter Samariter.«
    »Sicher«, sagte Whit Skinner.
    Nachdem er weg war, klopfte Fundello an Carlas Schlaf­zimmertür und fragte auf Italienisch, ob er hereinkommen könnte. Sie sagte ja, und ihre Stimme klang hell.
    »Na?« fragte er
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