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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid
Autoren: Terry Pratchett
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sollte.
    Tiffany konzentrierte sich auf die Kette. Die Leute trugen Schmuck, um etwas auszudrücken. Wenn man sich konzentrierte, hatte Schmuck immer eine Bedeutung.
    »Na schön, na schön«, sagte sie. »Ich habe nur eine Frage. Ich bin doch nicht etwa hier, um dich zu beerdigen, oder?«
    »Alle Achtung, hast du aber eine rasche Auffassungsgabe«, sagte die Frau. »Du hast dir aus dem Stand eine erstaunlich interessante Geschichte ausgedacht und sofort erraten, wer ich bin.« Sie lachte. Ihre Stimme war jünger als ihr Gesicht. »Nein, Tiffany. Auch wenn dein Gedanke auf eine makabere Art noch so faszinierend ist, die Antwort lautet nein. Ich erinnere mich, dass Oma Wetterwachs einmal gesagt hat, im Grunde drehe sich die ganze Welt um Geschichten. Und Tiffany Weh hat ein Händchen dafür, dass sie gut ausgehen.«
    »Hab ich das?«
    »Oh ja. Das klassische Ende einer romantischen Geschichte ist entweder eine Hochzeit oder ein Erbe, und du hast gleich für beides gesorgt. Gut gemacht.«
    »Du bist doch ich, nicht wahr?«, fragte Tiffany. »Das war mit dem Rat ›Hilf dir selbst‹ gemeint, ja?«
    Die ältere Tiffany grinste – ein sehr nettes Grinsen, wie Tiffany fand. »Ich habe mich wirklich nur bei Kleinigkeiten eingemischt. Zum Beispiel hab ich mich darum gekümmert, dass ein richtig kräftiger Wind wehte, als du ihn brauchtest… obwohl, wenn ich mich recht erinnere, ein gewisses Völkchen kleiner Männer auch noch für etwas Wirbel der ganz eigenen Art gesorgt hat. Aber ich weiß nie genau, ob mein Gedächtnis nun gut ist oder schlecht. Das ist das Problem beim Zeitreisen.«
    »Du kannst in der Zeit reisen?«
    »Mit freundlicher Unterstützung unserer Freundin Eskarina. Und nur als ein Schatten und ein Flüstern. Es ist ein bisschen wie mein alter… wie unser alter Siehst-mich-nicht-Trick. Man muss eben nur die Zeit dazu bringen, dass sie einem keine Beachtung schenkt.«
    »Und warum wolltest du mit mir reden?«, fragte Tiffany.
    »Tja, die Antwort ist ein bisschen vertrackt: Weil ich mich dunkel an unser Gespräch hier erinnert habe«, antwortete die alte Tiffany. »Tut mir leid, noch so ein Zeitreisenproblem. Aber ich glaube, ich wollte dir sagen, dass alles mehr oder weniger gut ausgehen wird. Alles wird sich finden und fügen. Du hast den ersten Schritt gemacht.«
    »Dann gibt es einen zweiten Schritt?«, fragte Tiffany.
    »Nein; es gibt einen zweiten ersten Schritt. Jeder Schritt ist ein erster, wenn er ein Schritt in die richtige Richtung ist.« »Aber warte mal eben«, sagte Tiffany. »Werde ich nicht eines Tages du sein? Und jetzt mit mir selber reden – oder so?«
    »Ja, aber das Du, mit dem du sprichst, ist nicht genau dasselbe Du. Es tut mir sehr leid, aber die Sprache, in der ich über das Zeitreisen reden muss, ist eigentlich nicht dafür gemacht. Kurz gesagt, Tiffany, nach der elastischen String-theorie wird bis ans Ende der Zeit immer irgendwo eine alte Tiffany mit einer jungen Tiffany reden, und das Faszinierende daran ist, dass sie jedes Mal ein bisschen anders sein werden. Wenn du dein jüngeres Ich triffst, wirst du ihr so viel sagen, wie sie deiner Meinung nach wissen muss.«
    »Aber ich habe eine Frage«, sagte Tiffany. »Und auf diese Frage hätte ich gern eine Antwort.«
    »Dann mach schnell«, antwortete die alte Tiffany. »Dieses elastische Stringdings oder wie das heißt, was unsere Freundin Eskarina benutzt, lässt uns nicht viel Zeit.«
    »Also dann«, sagte Tiffany. »Kannst du mir wenigstens verraten, ob ich eines Tages …«
    Die alte Tiffany löste sich mit einem Lächeln in Nichts auf, aber ein Wort hörte Tiffany doch noch. Es klang wie: »Horch.«
     
    Dann war sie wieder im Rittersaal, als wäre sie nie fort gewesen. Die Leute jubelten, und es wimmelte nur so von Größten. Und Preston stand an ihrer Seite. Es war ein Gefühl, als ob die Eisschmelze begonnen hätte. Nachdem sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden und sich die Frage aus dem Kopf geschlagen hatte, was da soeben wirklich geschehen war, blickte Tiffany sich nach den anderen Hexen um. Sie steckten die Köpfe zusammen wie Preisrichter bei der Punktevergabe.
    Das Hexenknäuel löste sich auf, und angeführt von Oma Wetterwachs kamen sie zielstrebig auf sie zu. Sie verneigten sich und zogen zum Zeichen des Respekts die Hüte vor ihr.
    Oma Wetterwachs musterte sie streng. »Du hast dir ja die Hand verbrannt, Tiffany.«
    Tiffany warf einen Blick darauf. »Das hab ich gar nicht gemerkt«, sagte sie. »Kann ich Sie jetzt
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