Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Titel: Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
Autoren: Kathleen McGowan
Vom Netzwerk:
geweckt. Zudem hatten ausgedehnte Reisen nach Frankreich bewirkt, dass sie die gotische Kunst und Architektur verehrte.
    Es war eine kluge Entscheidung. Maureen ließ sich Zeit, jedem Stück gebührende Aufmerksamkeit zu widmen. Besonders beeindruckten sie die filigranen Holzskulpturen aus Deutschland. Einige dieser Schätze erinnerten sie an die Eindrücke während ihrer ersten Frankreich-Reise, die ihr Leben und ihr Schicksal für immer verändert hatte. Beinahe andächtig nahm sie die Schönheit in sich auf.
    Als Maureen den zweiten Saal betrat, der von einem großen gotischen Lettner beherrscht wurde, erregte ein Objekt am Ende des Saals ihre Aufmerksamkeit. Es war ein Gemälde inmitten der vielen Skulpturen. Als Maureen näher trat, verschlug es ihr den Atem. Gebannt stand sie vor dem schönsten Bildnis der Maria Magdalena, das sie je gesehen hatte.
    Notre Dame. Unsere Liebe Frau. Meine Herrin. Maureen würde ihr nicht entkommen. Nie mehr.
    Tränen stiegen ihr in die Augen, wie so oft, wenn sie ein Bildnis dieser außergewöhnlichen Frau sah, die ihr Muse und Meisterin geworden war. Als Maureen der Magdalena Auge in Auge gegenüberstand, erkannte sie rasch, dass es sich hier nicht um eine der üblichen religiösen Darstellungen handelte: Diese Magdalena saß auf einem Thron, schön wie eine Göttin in tiefrotem Gewand und mit langem, rotgoldenem Haar. In der einen Hand hielt sie den Alabasterkrug, aus dem sie Jesus gesalbt hatte; in der anderen Hand, die in ihrem Schoß lag, hielt sie ein Kruzifix. Engel schwebten um sie her und bliesen die Posaune zum Lob ihrer Herrlichkeit.
    Maureen trat näher an das Gemälde heran und ging ein wenig in die Knie, um das untere Drittel genauer zu betrachten. Zu Magdalenas Füßen knieten vier Männer in makellosen weißen Roben. Ihre Köpfe waren vollständig von Tüchern verhüllt; die Augen ließen sich hinter dunklen Schlitzen nur erahnen. Etwas Kultartiges, Eigentümliches lag in ihrer Erscheinung. Die knienden Gestalten wirkten seltsam, wenn nicht gar finster.
    Maureen spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Ihre Schläfen pochten. So erging es ihr immer, wenn irgendetwas sich in ihrem Unterbewusstsein rührte … etwas, was nicht übersehen werden konnte und durfte. Dieses Bildnis war wichtig. Ungeheuer wichtig. Maureen fragte sich, ob sie im Zuge ihrer Nachforschungen darauf gestoßen war, aber es wollte ihr nichts einfallen. Sie hatte Dutzende von Magdalena-Darstellungen in den großen Museen der Welt studiert, als sie ihre Romane schrieb. Es war völlig unmöglich,dass es ein solches Gemälde im Met gab, ohne dass sie davon gehört hätte.
    Maureen beugte sich vor, um die Bildunterschrift zu lesen. »Spinello di Luca Spinelli: Prozessionsbanner der Bruderschaft der heiligen Maria Magdalena.«
    Die Beschreibung des Museums, die neben dem Werk hing, lautete:
     
    Im Mittelalter traten Laien häufig religiösen Bruderschaften bei, um die Andacht zu pflegen und mildtätige Werke zu tun. Indem sie ihre Köpfe verhüllten, blieben solche Werke anonym, getreu nach Christi Mahnung, gute Werke nicht um des eitlen Lobes willen zu tun. Das ungewöhnliche Banner wurde um das Jahr 1400 von der Bruderschaft der heiligen Maria Magdalena in Borgo San Sepolcro in Auftrag gegeben. Es wurde bei Prozessionen getragen und zeigt die Mitglieder der Bruderschaft im Gebet vor ihrer Schutzheiligen, die von einem Engelschor gepriesen wird. Magdalenas Alabasterkrug ziert die Ärmel der Brüder. Auf der Rückseite des Banners wird die Geißelung Christi gezeigt: ein Hinweis auf die Bußpraktiken der Bruderschaft.
    Die nur leicht skizzierten Züge Christi sind jüngeren Datums. Das Gesicht Jesu wurde vom Original entfernt und befindet sich heute im Campo Santo Teutonico in Rom. Ansonsten ist das Banner bemerkenswert gut erhalten.
     
    Irgendetwas stimmte mit dieser Beschreibung nicht; Maureen konnte es spüren. Das alles klang zu einfach, zu glatt für ein so rätselhaftes Gemälde. Die Männer mit den verhüllten Köpfen, die zu Füßen ihrer Schutzheiligen knieten, wahrten nicht nur ihre Anonymität, sie waren auch unheimlich, ja Furcht einflößend. Der Umstand, dass ihre Köpfe verhüllt waren, kam Maureen wie eine Aussage vor: als wäre es überlebenswichtig, dass ihre Identität nicht bekannt wurde. Als sie noch genauer hinschaute, entdeckte sie Schlitze in den Rückenteilen der weißen Roben. Diese Männer waren Büßer. Die Schlitze erlaubten es ihnen, sich zugeißeln und sich mit dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher