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Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)
Autoren: Kira Gembri
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Bein – eine erbärmliche Gestalt war es, die sich da näherte, erbärmlich und hässlich. Schamesröte brannte in Reevas Wangen, und sie konnte nicht begreifen, wie die bucklige Greisin an ihrer Seite mit solch energisch vorgestrecktem Kinn auf die Menschentraube zuzuschreiten vermochte. Auch Envas Stimme klang nicht im Mindesten eingeschüchtert, als sie zu den Bauern sprach und ihre Dienste anbot.
    Die Männer waren anfangs noch misstrauisch und wichen vor den beiden Heilerinnen zurück, doch einer nach dem anderen gingen sie los, um die Kranken aus ihren Hütten zu holen. Eine Schlange bildete sich kurze Zeit später vor dem Hackstock, auf dem Enva sich niedergelassen hatte. Bei den ersten Patienten handelte es sich größtenteils um Männer, die sich bei der Arbeit leichtere Verletzungen zugezogen hatten. Enva versorgte sie ruhig und mit gezielten Handgriffen, und bald wies sie auch Reeva an, sich um einige Wunden zu kümmern. Dabei lag das Misstrauen jedoch auf beiden Seiten: Es kostete Reeva große Überwindung, diese Fremden auch nur zu berühren, und einige der Bauern wurden in ihrer Unsicherheit gereizt und grob.
    Als Reeva gerade mit einer Arznei aus Ringelblumen die Brandwunden eines Mannes bestrich, kam sie mit den Fingerspitzen an eine besonders schmerzende Stelle. Noch ehe sie sich versah, stieß der Bauer sie vor die Brust, sodass sie nach hinten stolperte und nach Luft schnappte. Wie von selbst schossen ihre Arme in die Höhe, um sich vor weiteren Schlägen zu schützen, während für den Patienten die Angelegenheit nach einem derben Fluch schon wieder erledigt war.
    Doch wann immer etwas Ähnliches geschah – schon waren Envas Hände auf Reevas Schultern, die raue Stimme an ihrem Ohr: „Du machst es gut. Es wird dir nichts passieren, vertrau mir.“
    Als nächstes wagten sich auch die Frauen mit ihren Kindern aus den Hütten hervor, und von nun an ging Reeva die Arbeit leichter von der Hand. Während die Männer auf sie wirkten wie grobschlächtige Riesen, versorgte sie doch gerne die Kleinkinder und Säuglinge, die vertrauensvoll nach ihrem Haar griffen und ihr den süßen Atem ins Gesicht bliesen. Die meisten von ihnen hatten Schmerzen beim Zahnen oder Verdauungsschwierigkeiten – kleine Probleme, die leicht zu behandeln waren. Die Frauen, wenn auch anfangs noch argwöhnischer als ihre Männer, zeigten sich meist dankbarer und entlohnten die beiden Heilerinnen großzügig mit Brot, selbstgefertigten Stoffen oder einigen Münzen.
    Inzwischen war die Sonne vollends hinter den Dächern verschwunden, und die samtige Dunkelheit der Sommernacht breitete sich über dem Dorfplatz aus. Die Frauen kehrten in ihre Hütten zurück, um die Kinder schlafen zu legen, während die Männer sich noch zusammensetzten. Wie aus dem Nichts erschien ein Krug mit trübem Inhalt, den sie durch die Runde gehen ließen. Bald drang ihr brüllendes Gelächter zu Reeva herüber, die etwas abseits zu Envas Füßen saß und zusammen mit der Greisin noch einmal die Einnahmen dieses Tages begutachtete.
    Auf einmal tauchte ein hochgewachsener junger Bauer neben den beiden auf. Seine Schritte wirkten unsicher, doch er versuchte seine Furcht mit rauem Gehabe zu übertünchen; und als er schließlich übertrieben laut das Wort an Enva richtete, sprach er mit schleppender Zunge. „Höre, altes Weib! Die anderen schicken mich, damit ich dich um einen Gefallen bitte – dich und das dürre Vögelchen an deiner Seite.“ Er beugte sich zu der alten Frau hinunter und senkte seine Stimme zu einem heiseren Flüstern. „Ihr Weiber kennt doch gewiss viel mehr als die paar Kräuter? Ihr wisst doch sicher noch anderes als die Arznei gegen Furunkel?“
    Plötzlich richtete er sich zu seiner vollen Größe auf, und breitbeinig stehend rief er so laut, dass es bis zu seinen Kameraden schallen musste: „Wisst ihr denn nicht auch, ob ich noch diesen Sommer mit der blonden Marie mein Bett teilen werde? Oder wird uns ihr Vater noch lange im Weg stehen?“
    Reevas Hände verkrampften sich um den ausgefransten Saum ihres Kleides, doch Enva kniff nur den Mund zusammen und drehte den Kopf zur Seite. Da packte sie der Mann grob am Oberarm: „Was ist los? Willst du uns nicht mit deiner Kunst behilflich sein? Ich weiß, dass du es kannst – also rede!“
    „Es bedarf keiner besonderen Kunst, um zu erkennen, dass der Vater sich noch lange gegen eine solche Verbindung sperren wird, solltest du dein Benehmen nicht verbessern“, zischte Enva und entzog
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