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Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Titel: Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
Autoren: George R R Martin
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hätte.
    Schließlich sah Gared zu Boden. »Kein Feuer«, murmelte er leise.
    Rois nahm es als Einwilligung und wandte sich ab. »Geh voraus«, wies er Will an.
    Will bahnte ihnen einen Weg durchs Dickicht, dann stieg er den Hang zum flachen Kamm hinauf, wo er seinen Aussichtspunkt unter einem Wachbaum gefunden hatte. Unter der dünnen Schneekruste war der Boden feucht und matschig, rutschig, mit Steinen und verborgenen Wurzeln, über die man stolpern konnte. Lautlos kletterte Will voran. Hinter sich hörte er das sanfte, metallische Rasseln vom Kettenhemd seines Herrn, das Rascheln der Blätter und unterdrückte Flüche, als lange Äste nach seinem Langschwert griffen und an seinem prachtvollen Zobel zerrten.
    Der große Wachbaum stand genau dort oben auf dem Kamm, wo Will ihn in Erinnerung hatte, die untersten Äste kaum einen Fuß über dem Boden. Will schob sich darunter, flach auf dem Bauch durch Schnee und Schlamm, und blickte auf die leere Lichtung unter sich hinab.
    Ihm stockte das Herz. Einen Moment lang wagte er nicht zu atmen. Mondlicht schien auf die Lichtung hinab, die Asche der Feuerstelle, den schneebedeckten Unterstand, den großen Felsen, den kleinen halb gefrorenen Bach. Alles war genau so, wie er es noch wenige Stunden zuvor verlassen hatte.

    Nur war keiner mehr da. Alle Leichen waren verschwunden.
    »Bei allen Göttern!«, hörte er hinter sich. Ein Schwert schlug gegen einen Ast, als Ser Weymar Rois den Kamm erklomm. Er stand neben dem Wachbaum, das Langschwert in der Hand, der Umhang wehte in seinem Rücken, da Wind aufkam, edel und im Licht der Sterne für jedermann gut zu sehen.
    » Runter! «, flüsterte Will aufgebracht. »Irgendwas stimmt hier nicht.«
    Rois rührte sich nicht von der Stelle. Er schaute auf die leere Lichtung hinab und lachte. »Deine Toten scheinen ihr Lager abgebrochen zu haben, Will.«
    Wills Stimme versagte ihm den Dienst. Er rang um Worte, die nicht kommen wollten. Es war nicht möglich. Sein Blick ging über das verlassene Lager hin und her, blieb an der Axt hängen. Die riesenhafte Streitaxt mit doppelter Klinge lag noch immer da, wo er sie zuletzt gesehen hatte, unangetastet. Eine wertvolle Waffe …
    »Steh auf, Will!«, befahl Ser Weymar. »Da ist niemand. Ich will nicht, dass du dich unter einem Busch versteckst.«
    Widerstrebend fügte sich Will.
    Ser Weymar musterte ihn mit offener Verachtung. »Ich werde nicht von meinem ersten Streifzug in die Schwarze Festung zurückkehren, ohne einen Erfolg vorweisen zu können. « Er sah sich um. »Auf den Baum. Beeil dich! Such nach einem Feuer.«
    Will wandte sich wortlos ab. Es hatte keinen Sinn zu streiten. Der kalte Wind fuhr ihm in die Glieder. Will trat an den Baum, einen gewölbten, graugrünen Wachbaum, und begann zu klettern. Bald schon klebten seine Hände vom Harz, und er hatte sich in den Nadeln verirrt. Wie eine Mahlzeit, die er nicht verdauen konnte, breitete sich Angst in seiner Magengrube aus. Er flüsterte ein Gebet an die namenlosen Götter des Waldes und befreite seinen Dolch aus dessen Scheide. Er klemmte ihn zwischen die Zähne, um beide Hände
zum Klettern frei zu haben. Der Geschmack von kaltem Eisen schenkte ihm Trost.
    Weit unten rief plötzlich der junge Lord: »Was gibt es da?« Will spürte die Unsicherheit in seiner Stimme. Er hörte auf zu klettern. Er lauschte. Er suchte.
    Der Wald gab Antwort: das Rascheln des Laubs, das eisige Rauschen des Baches, der ferne Schrei einer Schnee-Eule.
    Die Anderen machten kein Geräusch.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte Will eine Bewegung. Fahle Formen glitten durch den Wald. Er wandte den Kopf um, sah einen weißen Schatten in der Dunkelheit. Dann war er wieder verschwunden. Zweige schwankten sanft im Wind. Will öffnete den Mund, um einen Warnruf auszustoßen, doch die Worte erfroren ihm in der Kehle. Vielleicht täuschte er sich. Vielleicht war es nur ein Vogel gewesen, ein Schatten auf dem Schnee, das Mondlicht, das ihn täuschte. Was hatte er denn schon gesehen?
    »Will, wo bist du?«, rief Ser Weymar herauf. »Kannst du etwas erkennen?« Langsam drehte er sich um, das Schwert in seiner Hand. Er musste sie gespürt haben, ganz wie Will sie spürte. Es war nichts zu sehen. »Antworte mir! Warum ist es so kalt?«
    Es war kalt. Zitternd klammerte sich Will fester an seinen Sitz. Sein Gesicht presste sich hart an den Stamm des Wachbaumes. Er konnte das süße, klebrige Harz an seiner Wange fühlen.
    Ein Schatten trat aus dem Dunkel des Waldes. Er blieb
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