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Das Licht der Phantasie

Das Licht der Phantasie

Titel: Das Licht der Phantasie
Autoren: Terry Pratchett
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gräßlichere Entitäten, gewaltige Schatten, die zu einem düsteren grauen Himmel emporragten. Glücklicherweise bekam er keine Gelegenheit, sie genauer zu beobachten, denn etwas anderes erforderte seine Aufmerksamkeit: Das Trymon-Monster griff ihn mit einem speergroßen Stachel an.
    Rincewind wich zur Seite aus, ballte die Fäuste, schwang herum und holte mit aller Kraft aus. Sein Hieb traf den Gegner im Bauch (oder am Brustkasten; es fiel ihm schwer, derartige Unterscheidungen zu treffen), und er brummte zufrieden, als er das Knacken splitternden Chitins hörte.
    Er stürzte sich auf das Ungetüm, kämpfte nun aus Angst davor, was geschehen mochte, wenn er nicht weiter zuschlug. Das Schnattern, Fauchen und Zischen der Geschöpfe aus den Kerkerdimensionen hallte unheilvoll durchs Amphitheater, akustische Messer, die bestrebt zu sein schienen, ihm die Trommelfelle zu zerschneiden und sich ihm ins Hirn zu bohren. Rincewind stellte sich vor, wie die Scheibenwelt von derartigen Geräuschen heimgesucht wurde, und das Grauen verlieh ihm neue Kraft. Er trat nach seinem monströsen Feind, um die Heimat der Menschen zu retten, um den bereits bedrohlich flackernden Lichtschein in der dunklen Nacht des Chaos zu bewahren und die Lücke zu schließen, die dem Unheil aus den Kerkerdimensionen Zugang ins Diesseits gewährte. Vor allen Dingen aber hämmerte er auf das Ungeheuer ein, um es daran zu hindern, ihn durch die Mangel zu drehen.
    Krallen oder Klauen hinterließen blutige Striemen auf Rincewinds Rücken, und irgend etwas schnappte nach seiner Schulter. Aber er hielt nicht inne, entdeckte einige weiche Stellen in einem Gewirr aus Haaren und Schuppen, drückte so fest wie möglich zu.
    Ein dornenbewehrter Arm stieß ihn zur Seite, und er fiel in schotterartigen, knirschenden Staub.
    Instinktiv rollte er sich zusammen und erwartete einen verheerenden Wutanfall des Ungetüms. Doch nichts dergleichen geschah. Als er vorsichtig die Augen öffnete, sah er, wie das Wesen von ihm forthumpelte und aus mehreren Wunden blutete. Genauer gesagt: Es verlor diverse Flüssigkeiten.
    Es war das erstemal, daß jemand vor Rincewind floh.
    Er stemmte sich wieder in die Höhe, folgte dem Geschöpf, griff nach einem Schuppenbein und zerrte heftig. Das Monstrum kreischte und schlug mit den noch einsatzfähigen Gliedmaßen um sich, aber Rincewind ließ nur los, um den Ellenbogen ins übriggebliebene Auge des Gegners zu rammen. Der metamorphierte Trymon schrie und eilte fort.
    Natürlich gab es nur einen Fluchtweg für ihn.
    Der Turm und das rote Himmelsglühen kehrten zurück, als sich im temporalen Damm ein Schleusentor öffnete und der Zeitstrom weiterfließen konnte.
    Rincewind fühlte festen Stein unter sich, rollte nach links, blieb auf dem Rücken liegen und stieß das monströse Wesen zur Seite.
»Jetzt!« rief er.
    »Jetzt was?« fragte Zweiblum. »O ja. Natürlich.«
    Er holte mit dem Schwert aus, zwar nicht gerade wie ein Krieger, aber doch kräftig genug. Die Klinge verfehlte Rincewind nur um Haaresbreite und bohrte sich tief in das Ding. Plötzlich summte etwas, so als sei ein Wespennest aufgeplatzt, und das wüste Durcheinander aus Armen, Beinen und Tentakeln zuckte peinerfüllt. Das Ungetüm schrie, rutschte über den Boden, schlug wild um sich – und traf nur leere Luft, als es über den Rand der runden Öffnung rollte und im Schacht verschwand.
    Es riß Rincewind mit sich.
Mit einem dumpfen Pochen prallte der verwandelte Trymon von der Treppe ab und stürzte in die dunkle Tiefe. Das schrille Kreischen wurde rasch leiser und erstarb von einem Augenblick zum anderen. Tief unten krachte eine Explosion, und oktarines Licht gleißte.
    Dann herrschte Stille. Zweiblum stand allein auf dem Turm, sah man einmal von den sieben Zauberern ab, die sich noch immer nicht von der Stelle rührten.
    Der Tourist zwinkerte verwundert, als sieben Feuerbälle durch den finsteren Schacht schwebten und im beiseite gelegten Oktav verschwanden, das daraufhin weitaus lebendiger und interessanter wirkte.
    »Lieber Himmel«, brachte er hervor, »ich nehme an, das waren die Zaubersprüche.«
    »Zweiblum.« Die Stimme hallte hohl durch die Luke, und der Tourist hatte Mühe, sie als die Rincewinds zu erkennen.
Er verharrte, die Fingerspitzen nur wenige Zentimeter vom Buch entfernt.
»Ja?« fragte er. »Äh, bist… bist du das, Rincewind?«
    »Wer sonst«, lautete die Antwort. Es war genau die Art von Stimme, die man um Mitternacht auf einem Friedhof zu hören
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