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Das Legat der Toten

Das Legat der Toten

Titel: Das Legat der Toten
Autoren: Jason Dark
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Flüche, es waren Beschimpfungen, und das Grauen verstärkte sich noch, als er sah, daß sich sein rechter Daumen von der Hand löste und auf den Sitz fiel...
    ***
    Ich wäre lieber mit Blaulicht und Sirene gefahren. Beides hatte Jane’s Wagen nicht zu bieten, und so mußten wir normal durch das abendliche London fahren. Die Stadt hatte sich in eine glitzernde Reklamewelt verwandelt. Man versuchte mit allen Mitteln, den Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen.
    London brummte immer. Nur selten gab es Stunden, in denen es zur Ruhe kam.
    Wir mußten die City nicht durchqueren, rollten nördlich an ihr vorbei und gerieten wenig später in den Sichtbereich des Regent Park. Von hier aus war es nicht mehr weit zur Kirche und damit zum Haus der Synode.
    Das Gelände gehörte auch der Kirche. Man hatte es umzäunt. Dahinter wuchs der domartige Bau in die Höhe, und wir sahen auch durch das Zaungitter hindurch die anderen flacheren Gebäude auf dem Grundstück. Wir würden nicht auf dem normalen Weg in die Kirche oder wo auch immer hin gelangen, sondern über den Zaun klettern.
    Uns fiel ein parkendes Taxi auf. Der hochrädrige Wagen erinnerte mich noch immer an einen Anachronismus. Doch wenn diese Taxis nicht mehr fuhren, würde etwas fehlen.
    Nicht weit hinter dem Fahrzeug stoppten wir den Golf und stiegen aus.
    Es war Suko, der mich durch einen leisen Pfiff zurückhielt, weil er etwas gehört hatte. Bevor ich eine Frage stellen konnte, hatte er sich gedreht und stand neben dem Taxi.
    Als er die Tür öffnete, war ich ebenfalls bei ihm. Wir sahen einen Fahrer, der schräg auf dem Beifahrersitz lag und vor sich hin jammerte. Den Grund erkannten wir bald.
    Ihm fehlte die rechte Hand.
    Sie lag neben ihm auf dem Beifahrersitz, und sie war Finger für Finger abgefallen.
    So sehr es auch eilte, in diesem Fall mußten wir uns um den Mann kümmern. Er wäre am liebsten bewußtlos geworden, um den Schmerz nicht miterleben zu müssen. Aber er blieb bei Bewußtsein, und er mußte auch reden, denn er wollte loswerden, wer ihm das angetan hatte.
    So erfuhren wir von Booker und auch von seinem übergroßen Kreuz auf der Brust.
    Jetzt waren wir gewarnt!
    ***
    Booker hatte das breite Portal der Kirche erreicht und war stehengeblieben. Obwohl ihm auf seinem Weg niemand begegnet war, wußte er, daß sich die Menschen hinter den dicken Mauern versammelt hatten und zu dem beteten, den er haßte.
    Er schüttelte sich. Er fluchte leise. Booker merkte die Aura sehr genau, die ihn streifte. Sie drang aus jedem Stein der Kirche. Sie war gegen ihn gerichtet, und er stellte sich auf Abwehr ein. Aber er dachte nicht im Traum daran, zu verschwinden. Er lebte schon zu lange, und er existierte noch länger, um sich jetzt zurückzuziehen und sich nicht der ersten, ganz großen Herausforderung zu stellen.
    Die Luft war kalt. Hoch ragte die Kirche vor ihm auf, nur an bestimmten Stellen angestrahlt. Das übrige Gemäuer verschwand in der Dunkelheit.
    Booker reckte die Arme in die Höhe. Er ballte haßerfüllt die Hände zu Fäusten.
    In dieser Umgebung strahlte kein Weihnachtsbaum. Es gab keinen süßlichen Kitsch. Keine Lieder, keine Melodien, nichts erinnerte an das bevorstehende Fest.
    Die Bischöfe waren aus allen Teilen des Landes zusammengekommen, um sich zu besprechen. Sie diskutierten – und sie beteten.
    Über Booker’s altes und trotzdem altersloses Gesicht huschte so etwas wie ein Grinsen. In den Augen lag plötzlich ein kalter Glanz. Die Lippen waren zusammengepreßt. Er blickte sich noch einmal um, weil er trotz allem beunruhigt war. Er hatte mit seinen Helfern abgesprochen, daß sie ebenfalls zur Kirche hier kamen, aber sie hatten sich bisher nicht sehen lassen. Allmählich überkam ihn der Eindruck, daß etwas nicht stimmte.
    Länger warten wollte Booker auch nicht. Er mußte seine Feinde beisammen haben, damit er alle stürzen konnte. Eben alle. Niemand sollte entkommen.
    Beide Hände legte er auf die Klinke und zog das Portal auf.
    Booker konzentrierte sich auf sich, nicht auf die versammelten Menschen. Er mußte mit sich selbst klarkommen, weil er feindliches Gelände betreten hatte. Was die Versammelten vor ihm taten, das war ihm zunächst egal. Er schaute sich dicht hinter der Tür in seiner Umgebung um, die dunkel war und kalt. Er sah Regale an den hellgrauen Wänden, in denen Informationsmaterial lag. Eine dicke Kerze stand ebenfalls dort. Ihr Docht ragte wie ein dünner schwarzer Finger aus dem gelblichen Talg hervor, als wollte
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