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Das Insekt

Das Insekt

Titel: Das Insekt
Autoren: Graham Masterton
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Auf dem Garagendach lag ein platter Basketball.
    »Kindermädchen«, sagte Dan.
    Er führte Bonnie zum letzten Zimmer am Ende des Flurs. Das Kinderzimmer. Hier hatten der vierjährige Junge und das siebenjährige Mädchen geschlafen. Ein metallischer Geruch hing in der Luft – der Geruch frisch geronnenen Bluts.
    Der Raum war hübsch tapeziert, rosa Blumen auf blauen Streifen. Unter dem Fenster stand eine blaue Spielzeugkommode. Barbiepuppen, Puppenhausmöbel, Modellautos und Star-Wars-Figuren quollen aus den Schubladen. An den Wänden hingen Poster von Baumeister Bob.
    Es kostete Überwindung, das Stockbett anzusehen. Beide Kinder hatten schon friedlich in ihrer Disney-Bettwäsche mit Motiven aus dem König der Löwen geschlafen. Die Schüsse hatten die Bettwäsche in geschwärzte Fetzen verwandelt, die sich wie monströse Blüten öffneten. Hier und da begegnete Bonnie immer noch dem gütigen Blick des Löwenkönigs. Die Matratzen waren vollständig mit Blut getränkt, die Wand hinter dem Bett großflächig bespritzt, sogar die Decke sah aus, als hätte jemand rote Regenschirme aufgespannt. Dass die Kinder nie erfahren hatten, was sie ereilte, war kein Trost bei diesem Anblick.
    Bonnie hob eine Puppe auf und merkte zu spät, dass ein dünner Faden menschlichen Gewebes wie ein Spinnfaden auf ihrem Gesicht klebte. Weil Dan sie beobachtete, ließ sie sich nichts anmerken und legte die Puppe einfach wieder hin.
    »Wir zwei haben viel gemeinsam, weißt du das?«, fragte Dan.
    »Glaubst du?«
    »Vielleicht sollten wir mal was zusammen trinken, ein bisschen reden?«
    Bonnie drehte sich zu ihm um. »Was hätten wir denn zu bereden, Dan? Ich bin eine verheiratete vierunddreißigjährige Mutter. Meine Themen beschränken sich auf Kochen, Kosmetik und Putzen.«
    Er wollte etwas sagen, tat es aber nicht. Stattdessen drehte er sich um und ging voraus in das Zimmer der Neunjährigen.
    Pinkfarbene, geraffte Vorhänge. Ein kleiner Schminktisch mit Spielzeug-Flakons und -Tuben. In der Mitte des Tisches lagen ordentlich nebeneinander aufgereiht vier Lippenstifte, die das Mädchen wahrscheinlich von ihrer Mutter bekommen hatte.
    Bonnie nahm einen in die Hand. Es war »Shocking Red« von Glamorex.
    Das Bett war das gleiche blutige Chaos wie im anderen Zimmer, aber es schien, als sei der erste Schuss nicht tödlich gewesen. Es gab rote Fingerabdrücke an der Wand. Das Schafsfell vor dem Bett war blutgetränkt. Es sah aus wie ein frisch geschlachtetes Tier.
    »Er hat ihr die halbe Hüfte weggeschossen, aber sie versuchte trotzdem zu fliehen. Bis zum Fenster ist sie gekommen.«
    »Das sehe ich.«
    Sie sahen sich noch etwas im Zimmer um. Dann fragte Dan: »Kannst du das in Ordnung bringen?«
    Bonnie nickte. »Ich spreche erst mal mit der Mutter.«
     

 
    Verhandlungen
     
    Mrs Goodman saß am Küchentisch. Eine schwarze Polizistin, die neben Mrs Goodman stand, hatte ihr die Hand auf die Schulter gelegt. Mrs Goodman war dünn, hatte eine große Nase und streng zurückgekämmte Haare mit blonden Strähnchen. Sie trug ein schwarzes Kleid mit Diamantbrosche. In der Hand hielt sie einen vollen Kaffeebecher, ihr starrer Blick war leer.
    Beim Eintreten in die Küche grüßte Bonnie die Polizistin mit einem kleinen Wink. »Hi Martha«, sagte sie gedämpft. »Dich hab ich ja schon ewig nicht mehr gesehen. Wie geht es Tyce?«
    Dan beugte sich zu Mrs Goodman hinunter. »Mrs Goodman? Das ist die Spezialistin, von der ich Ihnen erzählt habe.«
    Auch Bonnie beugte sich vor. »Mrs Goodman? Mein Name ist Bonnie Winter. Wenn Ihnen das alles zu schnell und zu viel ist, sagen Sie es. Dann ruf ich Sie einfach später an. Lieutnant Munoz hat mir allerdings gesagt, dass Sie so schnell wie möglich wieder Normalität in Ihr Apartment bringen wollen.«
    Mrs Goodman reagierte zunächst nicht. Hob nicht einmal den Kopf. »Steht sie noch unter Schock?«, fragte Bonnie. »Sollte man sie nicht ins Krankenhaus bringen?«
    Da blickte Mrs Goodman endlich auf und sagte: »Nein, nein. Mir geht es gut. Ich möchte hier bleiben. Hier, wo meine kleinen Lieblinge gestorben sind. Ich will hier bleiben.«
    Bonnie zog sich einen Küchenstuhl heran und setzte sich nah zu Mrs Goodman. Der sägezahnige Schatten einer Yuccapalme zeichnete sich hinter der Jalousie ab. Sie wiegte sich im Luftzug und erinnerte Bonnie aus irgendeinem Grund an einen nickenden Papagei. Behutsam nahm sie Mrs Goodman den Kaffeebecher aus der Hand und stellte ihn auf dem Tisch ab.
    »Was glauben Sie?
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