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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Leise brachte sie die Frage hervor; ihre Neugierde schien ihr unhöflich, obwohl es doch augenfällig war, dass sie und Floortje die einzigen jungen Frauen an Bord waren, die ohne Begleitung reisten. Eine Seltenheit, weil wider alle Gepflogenheiten und deshalb sicher nicht ohne triftigen Grund.
    »Ich will dort heiraten.«
    Der Dorn bohrte sich tiefer in Jacobinas Seite.
    »Meinen Glückwunsch«, gab sie steif zurück.
    Floortjes Augen weiteten sich. Dann brach sie in ein solches Lachen aus, dass sich alle Köpfe auf dem Sonnendeck nach ihr umdrehten. Jacobinas Wangen brannten, und sie zog ein Bein näher zu sich heran, um aufzustehen.
    »Du meine Güte, entschuldige!« Bestürzt hellten sich Floortjes Augen auf, und sie schlug die Hand vor den Mund, um ihr ungebärdiges Lachen zum Verstummen zu bringen, das noch einige Herzschläge lang zwischen ihren Fingern, unter ihren Worten hervorsprudelte und ihre Schultern beben ließ. »Ich hab mich ungeschickt ausgedrückt!« Unter den letzten Glucksern lehnte sie sich vor und streckte die Hand nach Jacobina aus, wollte sie ihr besänftigend auf den Arm legen, ließ aber davon ab, als Jacobina zurückwich. »Es ist nämlich so, dass mir der Mann zum Heiraten noch fehlt.« Ein Leuchten glitt über ihr Gesicht. »Aber den werd ich in Batavia schon finden!«
    Ungläubig starrte Jacobina sie an, vergaß sogar die glühende Scham, die entsetzlichen Augenblicke, in denen es ihr vorgekommen war, als würde sie ausgelacht.
    »Du musst doch aber zu Hause Dutzende Verehrer gehabt haben!«, rutschte es ihr heraus.
    Floortje zuckte mit den Schultern. »Kann sein. Der Richtige«, sie atmete tief ein und lehnte sich im Liegestuhl zurück, »der Richtige war jedenfalls nicht dabei.« Sie streckte die Beine aus und zog sie gleich darauf wieder zu sich heran. Ihr Mund kräuselte sich zu einem Lächeln. »Außerdem hatte ich ohnehin nicht vor, mein restliches Leben ausgerechnet in Friesland zu verbringen.« Sie warf Jacobina einen verschmitzten Seitenblick zu, bevor sie die Augen wieder schloss und zu einem stummen Takt die Knie hin und her wippen ließ. Eine Bewegung, die die vier Rekruten geradezu hypnotisierte; mit hungrigen Blicken lauerten sie darauf, dass die sich auffächernden Rüschen und Falten des Rocks mehr von Fräulein Dreessens Beinen sehen ließen als die bestrumpften Fesseln.
    Jacobina fragte sich, wie ausgerechnet ein Landstrich wie Friesland eine Floortje Dreessen hervorgebracht haben konnte. Sie tat sich schwer damit, sich Floortje zwischen den Deichen am Wattenmeer, den Heideflecken und dichten Laubwäldern vorzustellen, in einem der beschaulichen Städtchen oder Dörfchen, gar auf einem der versprengten reetgedeckten Gehöfte inmitten der Weiden, auf denen schwarz-weiße Kühe und Schafherden grasten. Mit ihrem dunklen Haar, den irisierenden Augen und ihren ganz und gar nicht friesischen Gesichtszügen musste sie dort aufgefallen sein wie der sprichwörtliche bunte Hund. Selbst in Amsterdam wäre Floortje noch als exotische Schönheit hervorgestochen wie eine Orchidee unter lauter Gänseblümchen.
    »Warum Batavia?«, fragte Jacobina vorsichtig. »Warum nicht einfach Amsterdam?«
    Floortje blinzelte und schielte unter halb geschlossenen Lidern zu Jacobina hinüber. Die graue Jacke, die sie trotz des warmen Sonnenscheins bis zum Hals zugeknöpft hielt, und der ebenso graue Rock waren äußerst schlicht gehalten, weniger modisch als praktisch, wie auch die schwarzen Schuhe, die unter den Säumen hervorschauten. Als wollte Jacobina van der Beek damit zu verstehen geben, dass sie keinen Wert auf all den Zierrat aus Rüschen, Spitzen, Biesen und Stickereien, auf die Farben und Muster legte, in denen Floortje selbst so gern schwelgte. Dabei war das, was sie bislang von Jacobinas Garderobe zu Gesicht bekommen hatte, aus unverkennbar teuren Stoffen maßgeschneidert. Floortje witterte eine behütete Kindheit und Jugend in einem wohlhabenden Elternhaus, in dem exquisites Mobiliar und dicke Teppiche und Portieren Stimmen und Schritte dämpften; Tanzstunden und Privatunterricht, Kutschfahrten und Bälle, Kaffeekränzchen und Teegesellschaften und Sommer am Meer. Ein Leben so makellos wie Jacobinas gestärkte weiße Blusen. Ein Leben unter ihresgleichen.
    »Warum auch nicht?«, gab sie zurück und kuschelte sich tiefer in das Polster des Liegestuhls.
    Jacobina musterte Floortje eingehend; einen flüchtigen Moment lang hatte sie älter gewirkt, erwachsener, beinahe wie vor der Zeit
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