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Das Haus des Buecherdiebs

Titel: Das Haus des Buecherdiebs
Autoren: Alexander Pechmann
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Büchern gewesen wäre. Sie waren überall, selbst auf den beiden Betten lagen sie aufgehäuft. Magliabechi lebte in einer Bücherhöhle, saß auf Büchern, aß auf Büchern, schlief auf Büchern. Abends warf er einen alten Teppich über einen Bücherhaufen, um sich darauf zur Ruhe zu betten. Mittags stapelte er ein paar Folianten aufeinander, die ihm als Tisch dienten. Seine Nahrung war äußerst bescheiden: Für gewöhnlich nahm er nur Eier und Brot zu sich und trank dazu Wasser. Der Gast aus Holland entdeckte in einer offenen Schreibtischlade ein paar Eier und Münzen, die der Bibliothekar für seine täglichen Bedürfnisse beiseitegelegt hatte. Doch weil er kaum auf etwas anderes achtete als auf seine Bücher, wurde die Schublade |28| mit den Vorräten häufig von Dienern oder Besuchern geplündert.
    Magliabechis Kleidung war so schlicht wie seine Lebensweise. Er trug eine schwarze Jacke, die ihm bis zu den Knien reichte, lange Kniebundhosen, einen alten geflickten schwarzen Mantel, einen unförmigen abgetragenen und an den Rändern ausgefransten Hut und ein grobes Halstuch, das mit Schnupftabak verschmiert war. Das Hemd, das durch die Löcher in den abgewetzten Ärmeln seiner Jacke deutlich sichtbar war, trug er immer so lange auf dem Leib, bis es auseinanderfiel. Um sich die Hände warm zu halten, hatte er kleine Öfen an seinen Armen befestigt, so dass seine Kleider häufig angesengt wurde. Doch trotz seiner eigentümlichen Lebensweise und seiner sonderbaren Erscheinung war er meist freundlich und hilfsbereit.
    Man könnte meinen, dass von einem solchen Kauz, der sein ganzes Leben in einer Bibliothek verbrachte und der dank seiner zerebralen Wissensspeicher gewissermaßen selbst eine Bibliothek war, nicht viel mehr in Erinnerung bleiben dürfte als ein paar Anekdoten und Geschichten. Schließlich hatte er, dessen Belesenheit grenzenlos war, nie etwas Eigenes hervorgebracht. Doch war dies auch gar nicht nötig, um seinen Nachruhm zu sichern, denn sein Name erschien in zahlreichen Publikationen seiner Zeit – in Widmungen und Danksagungen von Werken, die ohne seine Hilfe vielleicht nie geschrieben worden wären. Eine Widmung, die er besonders schätzte, bestand aus einer Liste all der Bücher, die ihm zuvor gewidmet worden waren, zusammen mit |29| unzähligen Lobschriften in Prosa und Versen zu Ehren des großen Bibliothekars und seines unerschöpflichen Wissens.
    1714 starb Antonio Magliabechi, wie er gelebt hatte. Friedlich in einem Schaukelstuhl, inmitten seiner geliebten Sammlung, ein aufgeschlagenes Buch auf dem Schoß und ein Lächeln auf den Lippen. Die dreißigtausend Bücher, die er für seine eigenen Regale erworben hatte, vermachte er seiner Heimatstadt unter der Bedingung, dass sie der Öffentlichkeit zugänglich bleiben sollten. Die Schatzkammer des Wissens wurde 1860 mit der Bibliotheca Palatina vereint und ist heute Teil der Bibliotheca Nazionale Centrale.
    Und noch etwas blieb von dem dienstbaren »Bücher fresser «: das kleine Porträt eines verschmitzt lächelnden alten Mannes, der von Bücherstapeln umgeben ist und ein Buch in der Hand hält. Darunter die Inschrift: »Um Bildung zu erlangen, genügt es nicht, viele Bücher zu lesen – man muss über das Gelesene nachdenken.«

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    |30| Der König der Buchhändler
    Keine lebende Seele.
Stille.
Nur Bücher.

    Blaise Cendrars
    Paris ist nicht nur die Hauptstadt des
savoir vivre
und ein Tummelplatz für mehr oder weniger begabte Künstler, Schriftsteller und Bohemiens, sie ist und war seit jeher auch ein Zentrum der Bouquinisten, Antiquare und Buchhändler. Wer kennt nicht den legendären Laden von Sylvia Beach, Shakespeare & Company, in dem die berühmtesten Literaten – James Joyce, Ernest Hemingway, Colette, Walter Benjamin – täglich ein und aus gingen? Oder Adrienne Monniers Maison des Amis des Livres auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Rue de l’Odéon, wo die Avantgarde der französischen Dichter und Denker verkehrte? Doch neben diesen Orten, die vom Esprit genialer Menschen erleuchtet wurden, gab es immer auch die dunkleren Winkel, die lichtlosen Keller und schäbigen Kammern, in denen trübsinnige Eigenbrötler über wunderlichen Einfällen brüteten.
    Zu Beginn des 20. Jahrhunderts befand sich in einem finsteren Hinterhof in der Nähe des Seineufers eine Buchhandlung, die sich mit dem Ruhm von Shakespeare & Company nicht messen konnte, aber in gewissen bibliomanischen Kreisen einen beinahe ebenso sagenhaften |31|
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