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Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Das Gegenteil von Schokolade - Roman

Titel: Das Gegenteil von Schokolade - Roman
Autoren: Mirijam Muentefering
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wird auf dem Monitor deutlich durch ein lang andauerndes flirrendes Nichts. Leere.
silbermondauge: du hast nachtangst, wie?!
    Ich bekomme eine Gänsehaut. Es ist das erste Mal, dass ich dieses Wort geschrieben sehe, von seiner Existenz erfahre. Aber mir ist, als würde ich es schon lange kennen.
    »Nachtangst«, wiederhole ich dumpf und schreibe: was ist das?
silbermondauge: das ist, wenn alle schlafen, nur du kannst es nicht. wenn alle glücklich oder zumindest leidlich zufrieden sind, nur du wirst es nie wieder sein. wenn alle ihre ohren verschließen gegen die stimmen der nacht, nur du hörst sie alle auf einmal und durcheinander und kannst keine einzige wirklich verstehen
    Ich schaue mich um.
    Mein Bücherregal, das sich über die ganze Wand des Wohnzimmers zieht. Meinen Schreibtisch mit dem Computer darauf. Den alten, blauen Sessel in der Ecke, auf dem Loulou einen angekauten Büffelhautknochen hat liegen lassen, wie ich gerade sehe. Meine Sachen umgeben mich wie eine Schar von Getreuen. Trotzdem …
loulouzauber: es ist wahrscheinlich, weil ich noch nicht lange hier wohne. ich bin erst vor ein paar wochen hier eingezogen und hab mich noch nicht richtig eingelebt
silbermondauge: für nachtangst muss man wirklich keine erklärung parat haben
loulouzauber: sollte auch keine sein
silbermondauge: oh … klang aber so
loulouzauber: nein nein
silbermondauge: na, dann … mein erster gedanke war, dass du ein gegenüber brauchst … aber wer weiß … vielleicht brauchst du ein zuhause noch mehr als ein gegenüber
    Ich frage mich, wer sie ist.
    Wer ist sie wohl?
    Starre auf die letzten Zeilen auf meinem Monitor und frage mich, wie sie aussieht und wo sie sitzt jetzt gerade. Wir könnten Nachbarinnen sein. Oder Kilometer voneinander entfernt.
silbermondauge: ich muss jetzt aufhören. wir sehen uns ja sicher wieder …
Tun wir das? Uns wiedersehen? Wieder sehen?
loulouzauber: wenn es so sein soll
silbermondauge: fatalismus ist der kern allen übels
    Ehm, denke ich. Oder so etwas Ähnliches. Zumindest nichts wesentlich Bedeutungsvolleres. Da kommen schon ihre nächsten Worte.
silbermondauge: nur eins noch … du liegst falsch, wenn du behauptest, dass du hier nur leeren hüllen begegnest, die du beliebig füllen kannst. du begegnest hier menschen. und ich wette, du wirst es bald schon merken
    Ich schweige und starre auf den Bildschirm. Bin viel zu langsam mit meinen Gedanken. Und meine Finger erst! Als ich sie gerade mal anhebe, um sie auf die Tasten zu senken, verschwindet der Name Silbermondauge von der Liste derer, die im Chat-Room angemeldet sind. Stehen gelassen, ohne noch eine Antwort geben zu können.
    Na, das hab ich gern!

2 . Wir haben die Wahl, wen wir lieben
    Nichts war schöner als ihr zuzusehen, wie sie immer mehr sie selbst wurde. Sie brauchte ihr Gegenüber, um hineinzuschauen als einen Spiegel, und rahmte ihn dabei mit ihrem Lachen. Sie zu lieben das Einfachste von der Welt. Denn es hieß, sich selbst zu lieben. Die Erfüllung der Wünsche war nah.
    (Seite 23 des Romans »Von der Umkehr der Endgültigkeit«, Patricia Stracciatella)
    U m halb neun.
    Jeden Morgen gehe ich mit Loulou auf den Berg.
    Ich könnte sie auch in den Park am Ende der Straße lassen, um den Gassigang zu erledigen. Aber das käme mir zu pragmatisch vor.
    Es gehört schon etwas dazu, jeden Morgen auf diesen Berg zu steigen und sich weder von Dunkelheit noch Kälte abschrecken zu lassen.
    Heute Morgen stelle ich mir die ganze Zeit vor, es sei schon Winter. Ich stelle mir vor, es liegt Schnee, und der Weg ist vereist, und Loulou und ich kämpfen uns dennoch im Dusteren dort hinauf, um dort oben gehend, rund um den schönsten Aussichtsturm der Stadt, die ersten Lichtstrahlen der Morgendämmerung zu betrachten. Mir gefällt der Gedanke, ich und mein Hund, den Naturgewalten zum Trotz.
    Aber der Oktober zeigt sich heute Morgen ausgesprochen freundlich. Es ist schon morgens um halb neun sehr mild. Der Himmel ist klarblau und verspricht einen von den goldenen Tagen, die sogar mir die Herbstdepression vermiesen können.
    Ich liebe unsere Morgenspaziergänge deswegen so, weil ich auf ihnen den vor mir liegenden Tag planen kann und somit immer das Gefühl habe zu wissen, was mich erwartet. So in etwa zumindest.
    Als ich noch mit Lothar zusammen wohnte, in seiner schönen großen Altbauwohnung, in der Stuck die Decken verziert, in der das Schlafzimmer mit seinen bodenlangen seidenen Vorhängen den Anschein erweckt, als stamme es aus einer
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