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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett
Autoren: Anthologie
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und ihre kunstvolle Frisur, die den Coiffeur frühmorgens zwei Stunden am Schminktisch gekostet hatte, kam in Gefahr. Aber alle ihre Aktivitäten blieben fruchtlos. Das Fernsehen hatte Totalausfall, sozusagen Bild- und Tonstörung. Renate rackerte sich ab, obwohl sie sich aus ihrem Partner nicht das Geringste machte. Aber ihr weiblicher Ehrgeiz war geweckt, und man sollte sein Versagen nicht als ihr Versagen auslegen. Als sie abermals einen kühnen Versuch wagte - sie hatte das ganze Repertoire durchgenommen und fing verzweifelt wieder von vorne an, da ertönte von der Beleuchterbrücke eine Berliner Volkesstimme: »Na, Meechen, wenn det wieda nischt wird, komm' ick mal runter, da wer'n Sie besser bedient. Wenn Sie so weitermachn, können Sie sich heut abend die Fusseln von der Schnauze schneiden ...«
    Aber da war schon die Mittagspause vorüber, das Studio füllte sich, der Redaktor verflüchtigte sich und ward nicht mehr gesehen. Seufzend begann sich die Maskenbildnerin wieder ans Werk zu machen.
    Nach der erfolgreichen Personality-Show, nach einigen Fernseh-Serien und Serials und weiteren recht ergebnislosen Schulstunden mit spätpubertären Redaktoren und trinkfreudigen Ressortchefs der sogenannten Unterhaltungselektronik, erwarb sie in einer nostalgischen Anwandlung Sarah Bernhardts Bett und verbrachte es in das Gästezimmer ihres bescheidenen Luxusbungalows an einem Vorortsee. Sie stellte es dort ein wie ein altes, verdienstvolles Rennpferd in den Stall, um ihm das Gnadenbrot zu gewähren.
    Doch war dem Bett noch kein beschaulicher Lebensabend beschieden. Es blieb metaphorisch »im Geschirr«. Denn da kam Bubis vorlautes Kino, der deutsche Jungfilm, der sich geflissentlich auf weibliche Altstars stürzte, um seine Mutterkomplexe in Schmalfilmexzessen zu sublimieren. Und unser Star - zum zweitenmal geliftet, aber nach wie vor körperlich voll im Stande und gut im Fleisch - wurde eine Kultfigur der cineastischen Jungtürken. Sie brachte ihnen ihre Vorstellung von modischer Sexliberation nahe oder versuchte es wenigstens, wenn auch ohne sonderlichen Erfolg. Dann zogen die frühzeitig vergreisten Reste von Oberhausen weiter, um Neu-Hollywood zu erobern. Die Nachrichten über diesen sich unziemlich lange hinziehenden Blitzkrieg sind spärlich, und den siegverkündenden Zeitungsnotizen scheint man ebenso wenig trauen zu können wie den Wehrmachtsberichten der letzten Kriegsjahre.
    Die Hypotheken auf dem Bungalow lasteten schwer, und so zog schließlich, sozusagen als Untermieter, der Pornofilm in ihr Gästezimmer ein und belegte das dort befindliche Bett. Er scheute das teure Atelier und benötigte für seine räumlich beschränkten.Darbietungen nur eine Lokalität von wenigen Kubikmetern und ein uneinsehbares Freigelände von bescheidenem Umfang.
    Doch gab der Pornofilm dem einstigen Meisterwerk französischer Möbelschreinerei den Rest. Es begann wieder asthmatisch zu keuchen und verfluchte die Hände des üppigen Kunstgewerbes, die es seinerzeit geschaffen hatten. Es wäre ihm lieber gewesen, als schlichte Übernachtungsstätte in einem drittklassigen Hotel für Handlungsreisende auf die Welt gekommen zu sein, als Wegzeichen und Wiege eines vergänglichen Starruhmes zu werden.
    Nachdem es sich mit letzter Kraft und mit tückischen Stichen einiger gebrochener Sprungfedern in diverse nackte Popos zur Wehr gesetzt hatte, wurde ihm die Gnade zuteil, das Zeitliche zu segnen und die drohende neue Ära der Medien mit Videogeräten und Stereoton nicht mehr erleben zu müssen. Das überstrapazierte Nervensystem seiner mürbe gewordenen Federung hätte diesen Streß nicht mehr ertragen.
    Sarah Bernhardts Prunkbett, weidlich ausgeschlachtet und seines dekorativen Dekors beraubt, endete als Sperrmüll wie die Leiche eines Lustmordes irgendwo in einem unübersichtlichen Waldgelände.
     

Frau Sacher und die Kinematographie
    Frau Sacher, die schon zu Lebzeiten legendäre Kultfigur einer sterbenden Monarchie, saß im Büro ihres Hotels, umgeben von signierten Fotos aller Berühmtheiten dieser Erde, und kaute an ihrer Zigarre, ein untrügliches Zeichen von Desperatheit oder Ermüdung. Ihre Füße schmerzten und sie rieb die gequetschten Zehen aneinander. Vor ihr lagen, wie geheime Generalstabskarten, die Pläne ihrer begehrten Lokalitäten, in denen die heutigen Reservationen in nur ihr allein bekannten Chiffren eingetragen waren.
    Die autoritäre Herrscherin in ihrem Bereich ließ sich wie die Freundin ihrer apostolischen
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