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Das Eulenhaus

Das Eulenhaus

Titel: Das Eulenhaus
Autoren: Agatha Christie
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verblüfft an. »Na, dann schlaf jetzt schön und steh nicht extra auf zum Frühstück. Und wenn du aufstehst, darfst du muffeln, soviel du willst.«
    »Muffeln?« Jetzt sah Midge verblüfft aus. »Wieso – ach so!«, lachte sie. »Jetzt verstehe ich! Sehr scharfsinnig, Lucy. Vielleicht nehme ich dich beim Wort.«
    Lady Angkatell verließ lächelnd das Zimmer. Auf dem Weg an der offenen Badezimmertür vorbei sah sie den Kessel mit dem Gaskocher und hatte eine Idee.
    Alle mochten doch gern Tee – und Midge würde sich die nächsten Stunden nicht blickenlassen. Sie würde ihr Tee bringen. Sie setzte das Wasser auf und ging weiter den Flur hinunter.
    Vor der Tür zum Zimmer ihres Mannes blieb sie stehen und drehte den Türknopf. Aber Sir Henry Angkatell war nicht nur ein fähiger Diplomat, er kannte auch seine Lucy. Er mochte sie wirklich ausgesprochen gern, aber er schätzte auch seinen ungestörten Schlaf am Morgen. Die Tür war zu.
    Lady Angkatell ging in ihr Zimmer. Sie hätte Henry zu gern konsultiert, aber das ging auch später. Sie trat ans offenen Fenster und sah eine Weile hinaus. Dann gähnte sie. Sie legte sich ins Bett und hatte kaum zwei Minuten den Kopf auf dem Kissen, da schlief sie schon wie ein Kind.
    Im Badezimmer fing das Wasser an zu kochen, und es kochte weiter…
    »Schon wieder ein Kessel hin, Mr Gudgeon«, sagte Miss Simmons, das Zimmermädchen.
    Gudgeon, der Butler, schüttelte den Graukopf und nahm Miss Simmons den verkokelten Wasserkessel ab. Dann ging er in die Speisekammer und zog einen neuen aus dem halben Dutzend Ersatzkessel unten im Tellerschrank. »Stellen Sie den hin, Miss Simmons, dann merkt ihre Ladyschaft nichts.«
    »Macht ihre Ladyschaft so was öfter?«, fragte Simmons.
    Gudgeon seufzte. »Ihre Ladyschaft ist herzensgut, aber auch schrecklich vergesslich, verstehen Sie? Und in diesem Haus bin ich dafür verantwortlich, dass alles Menschenmögliche getan wird, um Ärger oder Kummer von ihr fernzuhalten.«

2
     
    H enrietta Savernake rollte eine kleine Lehmwurst und drückte sie in Form. Sie arbeitete mit ihren flinken und geschickten Fingern an einem Mädchenkopf.
    Im Ohr eine piepsige, leicht ordinäre Stimme – aber die drang nur bis an die Ränder ihrer Wahrnehmung vor.
    »Und ich finde wirklich, dass ich Recht hatte, Miss Savernake. ›Also, bitte‹, hab ich gesagt, ›wenn Sie so was im Sinn haben!‹ Denn ich finde wirklich, Miss Savernake, das ist man sich schuldig als junges Mädchen, dass man bei so was klar Stellung bezieht, wissen Sie, was ich meine? ›Ich bin es nicht gewohnt‹, hab ich gesagt, ›mir so was anhören zu müssen, und ich kann nur sagen, Sie müssen eine sehr schmutzige Fantasie haben!‹ Man ist ja nicht gern unhöflich, aber ich finde wirklich, dass ich Recht hatte damit, finden Sie nicht auch, Miss Savernake?«
    »Aber selbstverständlich.« Henrietta klang so engagiert, dass jeder, der sie besser kannte, gemerkt hätte, wie wenig sie zugehört hatte.
    »›Und wenn Ihre Frau so was sagt‹, hab ich gesagt, ›dann kann ich da jedenfalls nichts für!‹ Ich weiß auch nicht, wie das kommt, Miss Savernake, aber ich scheine immer so Ärger zu kriegen, überall, und das ist bestimmt nicht meine Schuld. Ich meine, Männer denken immer, sie sind gemeint, nicht?« Sie stieß ein kokettes Kichern aus.
    »Schrecklich«, bestätigte Henrietta mit halb geschlossenen Augen. »Sehr hübsch«, dachte sie für sich, »sehr hübsch, die Fläche unterm Lid – und die andere, die von unten dazukommt. Aber der Winkel am Kiefer ist falsch… Da muss etwas weg, da muss ich neu modellieren. Knifflig.«
    Laut und mit ihrer warmen, mitfühlenden Stimme sagte sie: »Das war gewiss furchtbar schwierig für Sie.«
    »Ich finde wirklich, Eifersucht ist so ungerecht, Miss Savernake, so spießig, wissen Sie, was ich meine? Das ist der reine Neid, wenn ich das so sagen darf, bloß weil jemand besser aussieht oder jünger ist.«
    Henrietta arbeitete an der Kinnpartie und antwortete zerstreut: »Ja, natürlich.«
    Sie hatte den Trick, ihre Gedanken in wasserdicht abgeschüttete Bereiche aufzuteilen, vor Jahren gelernt. Sie konnte Bridge spielen, sich intelligent unterhalten, einen klaren Brief formulieren, ohne mehr als einen Bruchteil ihres Geistes darauf zu verwenden. Im Augenblick sah sie zum Beispiel vollkommen konzentriert zu, wie sich der Kopf der Nausikaa unter ihren Fingern formte, und nichts von dem piepsigen, gehässigen Geschwätz, das aus den wirklich hübschen
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