Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition)
Autoren: Daniel Höra
Vom Netzwerk:
Brandgeruch hing in der Luft. In vielen Häusern waren die Fenster rausgebrochen. Die dunklen Löcher schienen uns stumm zu warnen: Kehrt um!
    Zweimal versperrten Barrikaden aus alten Möbeln, Reifen und Holz die Straße.
    »Diese Bastarde«, schimpfte einer von Catos Leuten, dem ich dabei half, ein Bettgestell wegzutragen. »Sie lieben es, uns das Leben schwerzumachen.«
    Zefs bewarfen uns aus den umliegenden Häusern mit Abfall. Dröhnend landete ein löchriger Stiefel auf der Motorhaube unseres LKW. Erst als einer der Sperber eine Salve in die Luft feuerte, verschwanden die Angreifer.
    Die Straßen waren mit lumpig gekleideten Kindern aller Altersklassen bevölkert. Sie standen in Grüppchen zusammen, gingen mit ihren Einkaufsbeuteln in düstere Kellergeschäfte und fuhren mit der Pferdebahn, als spielten sie Erwachsene.
    Ich fragte einen der Kameraden nach den Eltern.
    Er lachte. »Wo sollen die schon sein? Die liegen in ihren Betten und verfaulen vom Crystal.«
    »Crystal?«, fragte ich ahnungslos.
    Er sah mich lachend an. »Eine Droge. Macht dumm, bösartig und lässt deine Zähne verfaulen. Wo hast du bis jetzt gesteckt, Junge?«
    Ich zuckte die Schultern.
    »Willkommen in Berlin«, sagte er grinsend. »Der Stadt der Zukunft.«

07
    Der M-Sektor bestand aus Hochhäusern, die wie Giftpilze in den schmutzigen Himmel wuchsen. Hohe Mauern – mit Stacheldraht bewehrt – sollten den Bewohnern das Rüberklettern unmöglich machen. Wer raus- oder reinwollte, musste durch den Kontrollpunkt, und der war mit schwerbewaffneten Soldaten besetzt.
    »Das nutzt gar nichts. Die buddeln Gänge wie die Maulwürfe, graben sich unter der Mauer durch, unter der Straße und tauchen dann in irgendeinem Haus auf der anderen Seite wieder auf«, sagte der Kamerad neben mir und spuckte aus. »So kriegen sie das verdammte Crystal raus.«
    »Warum machen wir die Löcher nicht zu?«, fragte ich.
    Er hob die Schultern. »Wozu? Wenn wir eins zuschütten, buddeln sie drei neue. Außerdem interessiert das keinen von den Politikern. Nur jetzt vor der Wahl dürfen wir dem Abschaum ordentlich auf die Fresse hauen.« Er zeigte auf einen Mann, der einen klobigen Fotoapparat um den Hals hängen hatte und eifrig in seinen Block schrieb. »Da darf dann auch so ein Zeitungsschmierer ordentlich Fotos machen, wie wir hier aufräumen. Hey, Zoon!«, winkte er dem Zeitungsmann zu, der auch gleich ein Bild schoss und sich dankbar verbeugte.
    Die löchrigen Straßen im M-Sektor waren mit Müll und ausgebrannten Autowracks gesäumt. Ein Blätterhaufen kokelte vor sich hin. Die Überreste eines großen Tieres verwesten auf einem Rasenstück. Die Wände waren mit Einschüssen und Parolen wie TOD DEN SENATSSCHWUCHTELN beschmiert. Ein Kinderfahrrad steckte in der zerbrochenen Schaufensterscheibe eines Geschäfts, über dem irgendwas mit Schuhen stand. Das ganze Viertel sah tot aus, als würden hier nur noch Erinnerungen vor sich hin gammeln.
    Ich konnte kaum erwarten, dass es losging. Vom Ketamin bis unter die Kopfhaut elektrisiert, trat ich ein paarmal gegen ein Autowrack, um mich abzureagieren. Dann kam der Befehl zum Losschlagen. Vorsichtig näherten wir uns einem der Hochhäuser und spähten durch die zersplitterte Glastür hinein. Manchmal legten die Bewohner Sprengstofffallen, hatte mir ein Kamerad erklärt. Im Hausflur war es finster, so dass wir unsere Taschenlampen benutzen mussten. Ich ließ den Schein über die Wände gleiten, sie waren mit Kritzeleien übersät.
    Unser Anführer hämmerte an die erste Wohnungstür. Als sich nichts rührte, trat er sie ein. Modriger Geruch wie aus einem alten Bunker wehte uns entgegen. Der Sperber stürmte voran, das Gewehr im Anschlag, und feuerte zur Abschreckung eine Salve in die Decke. Wir folgten ihm in den engen Flur, die Schlagstöcke erhoben. Im hinteren Zimmer fanden wir die Bewohner, die in einer Ecke hockten und uns ängstlich entgegensahen. Ich schrie einen an: »Zeig mir deine Identitätskarte, du Mottenfucker! Sonst mach ich mit dir Hiphop.«
    Er sah mich verständnislos an, kam aber sofort hoch und kramte in seiner Hosentasche. Um ihn anzutreiben, schlug ich ihm meinen Knüppel in den Magen. Dann nahmen wir die Bude auseinander, schlitzten Matratzen und Decken auf, und während Bettfedern wie Ascheflocken durch die Räume schwebten, zerschlugen wir die Möbel. Ich war wie im Rausch.
    »Wo habt ihr die Drogen versteckt?«, brüllte unser Anführer. Ein Kind weinte, die Mutter versuchte vergeblich, es zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher