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Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall

Titel: Das Blut - Del Toro, G: Blut - The Fall
Autoren: Chuck Guillermo;Hogan Del Toro
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nicht von der normaler Menschen zu unterscheiden. In Silberspiegeln jedoch ist ihr Bild unscharf, verwischt. Irgendeine physikalische Eigenschaft von Silber bewirkt es, dass diese virusbefallenen Ungeheuer nur verzerrt gespiegelt werden. Ein Warnsignal. So wie der magische Spiegel bei Schneewittchen können Silberspiegel nicht lügen.
    Und so studierte Setrakian eingehend sein Bild in jenem großen, schweren Silberspiegel zwischen dem Porzellanwaschbecken und der Ablage, auf der seine Pulver, Salben, das Mittel gegen die Arthritis und die Arzneien für seine verkrüppelten Hände standen.
    Es war unübersehbar, dass seine Kräfte schwanden. Dass sein Körper eben nur ein Körper war, nichts mehr. Alt, schwach, im Verfall begriffen. Es war zweifelhaft, ob er die Anstrengung einer Verwandlung überhaupt überstehen würde. Nicht alle Opfer des Vampirvirus überlebten diese Tortur.
    Sein Gesicht. Die tiefen Falten in seinem Gesicht waren wie ein Fingerabdruck, den die Zeit höchstpersönlich hinterlassen hatte. Innerhalb weniger Tage - weniger Nächte - schien er um zwanzig Jahre gealtert zu sein. Seine Augen waren klein, trocken, gelblich wie Elfenbein. Er war totenblass, und das graue Haar lag auf seinem Kopf wie dünnes, silbernes Gras, das ein Sturm umgeweht hatte.
    Pick-pick-pick.
    Er hörte den Ruf des Todes. Hörte Jusef Sardus Stock vor seinem Haus. Hörte sein Herz schlagen.

    Er blickte auf seine verkrüppelten Hände. Wenn er alle Willenskraft aufbrachte, gelang es ihm noch, sein silbernes Schwert zu packen und zu führen - für etwas anderes waren sie kaum mehr zu gebrauchen.
    Der Kampf gegen den Meister hatte ihn über die Maßen geschwächt. Der Meister war stärker gewesen, als Setrakian es in Erinnerung gehabt hatte. Er hatte ihn unterschätzt. Sträflich unterschätzt. Das Ungeheuer war direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt gewesen, die UV-Strahlen hätten das Virus in seinem Körper mit einer Kraft wie von zehntausend Silberschwertern attackieren müssen - doch der Meister hatte ihnen standgehalten. Und war geflohen.
    Was ist das Leben schon anderes als eine Abfolge von kleinen Siegen und großen Niederlagen? Was gab es da noch zu tun? Sollte er aufgeben?
    Nein, Abraham Setrakian würde niemals aufgeben.
    In diesem Moment allerdings gab es nur Reue. Hätte er nur dieses getan und jenes gelassen. Hätte er nur das Gebäude gleich in die Luft gesprengt, als er sicher war, dass sich der Meister darin aufhielt. Hätte Eph ihn doch nur seinem Schicksal überlassen und nicht in diesem entscheidenden Moment beschlossen, ihn zu retten. Hätte …
    Allein beim Gedanken an diese vertanen Gelegenheiten fing sein Herz an, wie wild zu klopfen. Sein Puls flatterte, ungeduldig wie ein Kind, das am liebsten auf- und davongelaufen wäre.
    Pick-pick-pick.
    Ein tiefes Summen übertönte seinen Herzschlag.
    Setrakian kannte dieses Geräusch nur zu gut. Es war die Ouvertüre zum Untergang, das Geräusch, das man hörte, wenn man auf der Intensivstation aufwachte - gäbe es noch funktionierende Intensivstationen …
    Mit tauben Fingern schüttelte der alte Professor eine weiße Tablette aus einer Schachtel. Nitroglyzerin beugte Angina Pectoris vor, indem es die Venen entspannte und weitete, sodass
der Blutfluss zu seinem Herzen und damit die Sauerstoffzufuhr gewährleistet blieben. Es war eine sublinguale Tablette, die sich unter seiner trockenen Zunge langsam auflöste.
    Sofort spürte er ein angenehmes, prickelndes Gefühl. Und in wenigen Minuten würde das Summen in seinem Herzen verklingen.
    Die schnell wirkende Pille verlieh ihm neues Selbstvertrauen. All die Zweifel, all die Schuldzuweisungen, all die Trauer, die er gerade noch gehegt hatte, erschienen ihm plötzlich wie Zeitverschwendung.
    Er war zurück im Hier und Jetzt. Manhattan, seine Wahlheimat, stand vor der Vernichtung. Manhattan brauchte seine Hilfe.
    Wenige Wochen erst waren vergangen, seit die Boeing 777 der Regis Air auf dem John-F.-Kennedy-Flughafen gelandet war. Seit der Ankunft des Meisters und dem Ausbruch der Seuche. Setrakian hatte es von der ersten Meldung in den Nachrichten an gewusst - so wie man den Tod eines geliebten Menschen ahnt, wenn das Telefon spät in der Nacht klingelt.
    Atemlos hatte die ganze Stadt mitverfolgt, was mit dem geheimnisvollen Flugzeug geschah. Nur wenige Minuten, nachdem es sicher gelandet war, hatten sich alle elektronischen Geräte in der Maschine abgeschaltet. Dunkel, wie tot stand es auf der Landebahn. Das
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