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Darkover 05 - Zandrus Schmiede

Titel: Darkover 05 - Zandrus Schmiede
Autoren: Marion Zimmer Bradley / Deborah J. Ross
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Sein Gewicht verlagerte sich, seine Schritte wurden leichter. Es war, als erfülle ihn der Geist eines Raubtiers - eines Wolfs oder Wolkenleoparden. Er sah keinen Mann mehr vor sich, keinen Vetter – Verräter, Spielkameraden, Meuchelmörder -, sondern nur noch ein Muster, durch das der Tod Einlass finden konnte.
    Rakhal wich einen Schritt zurück, dann noch einen, bis er mit dem Rücken am offenen Fenster stand. Sein Gesicht verzerrte sich, als begriffe er, dass er seine Chance verpasst hatte. Carolin hechtete nach vorn. Unter dem Faltenwurf von Rakhals Gewändern sah er die Wölbung der Rippen, den genauen Weg zum Herzen. Er legte seine ganze Kraft in den Stoß.
    Im Wegdrehen schrie Rakhal auf, ein Gebrüll des Zorns und der Verzweiflung. Carolin spürte den Augenblick der Berührung, einen kurzen Widerstand und dann nichts mehr.
    Rakhal stürzte rückwärts über den Fenstersims. Einen Augenblick später brach sein Schrei jäh ab.
    Carolin stürmte ans Fenster. Als er sich vorbeugte, sah er, dass Rakhal auf eine niedrige Mauer gefallen war, die den Kräutergarten unten umgab. Dem unnatürlichen Winkel seines Körpers nach hatte er sich das Rückgrat gebrochen. Er rührte sich nicht mehr.
    Ein Schwindelgefühl überkam Carolin wie eine Krankheit der Seele. Er würde nie mit Sicherheit wissen, bis ans Ende seiner Tage nicht, ob er seinen Vetter nun getötet oder Rakhal sein Ende selber herbeigeführt hatte.
    Es spielte auch keine Rolle. Er hatte ihn töten und so das verderbte Ungeheuer beseitigen wollen, das seinen Thron an sich gerissen hatte; aber er hatte auch den helläugigen Jungen getötet, der in diesem Raum gespielt hatte, den Halbwüchsigen, der lachend zugesehen hatte, wie er mit Maura und Jandria tanzte, den fürsorglichen Neffen, der den alten König Felix gepflegt hatte, den Jagdkameraden und Freund, der Carolin in höfischer Etikette unterrichtet hatte. Den Mann, der zum Guten oder zum Schlechten die Krone Hasturs getragen hatte.
    Ein König musste die Verantwortung für seine Taten tragen, die Last seines Amtes. Ohne Ausflüchte, ohne Entschuldigungen. Ganz allein.
    Maura stand in der Tür. Ihr Gesicht war weiß, und Tränen schimmerten in ihren Augen. »Er war der Herr seines eigenen Schicksals, genau wie ich. Genau wie du.«
    Was bin ich? Habe ich mir ein weises Schicksal erwählt, indem ich einen Verwandten in die Verbannung schickte und einen anderen niedermetzelte?
    Sie machte einen Schritt auf ihn zu, sodass das graue Licht strahlend auf sie fiel. »Du bist Carolin, König, Hastur von Carcosa und Hali, Bredu des Varzil von Arilinn, Orains Retter, Vater und Freund, ein guter Mensch, der sich außergewöhnlichen Herausforderungen gestellt und unser aller Vertrauen in ihn nicht enttäuscht hat. Und durch Evandas Großmut bist du auch noch mein Geliebter.«
    Sein Herz war so voll, er konnte nichts sagen. Mit diesen wenigen Worten hatte sie ihm den Mann wiedergegeben, der die Krone verdiente.
    Sie nahm seine Hand und führte ihn die Treppen hinunter und zurück in die Stadt, wo sein Volk ihn erwartete.
    Der Gedanke kam ihm, dass es eine dritte Macht in der Welt gab. Die des Turmes, die der Krone… und die des Herzens, und vielleicht war Letztere von allen dreien die stärkste Macht.
    Epilog
    Carolin Hastur stand am Fenster seiner Privatgemächer und ließ die Schultern hängen. Er hatte sich mehrere Zehntage lang tapfer gehalten und seine Erschöpfung überspielt. Die offizielle Krönung hatte in Hali stattgefunden, inmitten der heiligen Objekte und unsichtbaren Gegenwart seiner erhabenen Ahnen. Er würde nicht dort herrschen, sondern in Thendara, der neuen Hauptstadt für ein neues Zeitalter. Trotz des Murrens der selbst ernannten Bewahrer der Tradition hatte er seinen gesamten Hof auf die Burg Thendara verlegt. Der letzte Hastur-König, der hier gelebt hatte, war Rafael II. gewesen, der ebenfalls in Zeiten des Aufstandes seiner Pflicht nachgekommen war.
    Der Umzug machte alles, was für die Rückkehr eines Königs aus der Verbannung erforderlich war, nur noch schwieriger. Gerichtsverfahren, Hinrichtungen, Gnadenerlasse, der Austausch von Mitarbeitern, Bestandsaufnahmen - die Liste war ihm kaum bewältigbar erschienen, selbst mit der Unterstützung des unermüdlichen Orain als Friedensmann. Nun war alles gut auf den Weg gebracht. Es würde immer etwas zu tun geben - Widerstandsnester, Rakhals Partisanen, Geplänkel an den Grenzen und schwierige gesetzliche Fälle waren Garantie genug -,
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