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Coma - Niven, J: Coma - The Amateurs

Coma - Niven, J: Coma - The Amateurs

Titel: Coma - Niven, J: Coma - The Amateurs
Autoren: John Niven
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war
es sehr viel Geld gewesen. Pauline hatte sich vorgestellt, die Firma aufzubauen, um sich nur noch um die Administration zu kümmern, sobald der Zaster zu fließen begann. Letzteres war bisher leider noch nicht der Fall. Alleinunterhalter für Kinder waren rar gesät, und es schmälerte Paulines Gewinnspanne empfindlich, sie zu bezahlen. Also bestand das Geschäft im Moment bloß aus ihr selbst, ihrem siebzehnjährigen Assistenten Derek, langen Arbeitstagen und viel Fahrerei.
    Paulines Handy klingelte. Sie nahm es aus der Handtasche, um die SMS zu lesen. Während sie die Geschwindigkeit drosselte und nach links in die Straße einbog, begann sie eine Antwort zu tippen. Eins, zwei, vier, sechs Worte, das längste davon – »später« – sechs Buchstaben lang. Der Satz, der ihrem Mann das Herz in blutige Fetzen zerreißen würde, hatte also nicht mehr als dreißig Buchstaben. Sie drückte auf »Senden«, warf das Telefon auf den Beifahrersitz und trat das Gaspedal durch bis zum Boden. Sonderlich bemerkbar machte sich das nicht.

3
    AUF DEM WEG IN SEIN BüRO DURCHQUERTE GARY DIE FABRIKHALLE. Viele Tausend Quadratmeter erfüllt von Maschinenlärm: das Rattern der Laufrollen in den Deckenschienen, das schwere Scheppern von Metall auf Beton, das Hämmern der Nietpistolen. Man könnte problemlos ein Holz fünf über die gesamte Länge der Halle schlagen. Hoch genug war sie. Durch die schmutzigen Kunststofffenster des Wellblechdachs im Dunkel, mehr als dreißig Meter über ihm, fiel fahles Sonnenlicht herein. Dazu die Gerüche der Fabrik: Öl, Sprühfarbe und das rauchige Aroma glühenden Metalls. Er blieb innerhalb der gelben Linien und erwiderte die Morgengrüße, die ihm vom Kantinenbereich entgegenschallten, einer Insel aus Resopaltischen und orangefarbenen Plastikstühlen, gedämpft beleuchtet von den roten, weißen und orangefarbenen Lichtern der sie umgebenden Verkaufsautomaten. Einige von den Jungs hier unten kannte er ziemlich gut, mit vielen von ihnen war er zur Schule gegangen. Ohne Abitur könnte er heute genauso gut einer von ihnen sein.
    Henderson’s Gabelstaplerwerk war eines der wenigen Unternehmen, die sich in den Siebzigern tatsächlich in Ardgirvan ansiedelten. Die Fabrik hatte die Rezession der frühen achtziger Jahre genauso überstanden wie später die Entlassungswellen aufgrund der Markterosion durch die billigere ausländische Konkurrenz oder wegen neuer technologischer Innovationen wie den Schweißrobotern, an denen Gary gerade vorbeiging, deren stählerne Gliedmaßen mit ruckelnden Bewegungen dem blauen Funkenregen trotzten. Ein paar Tage nach seinem siebzehnten
Geburtstag hatte man Gary dort einen Job in der Verwaltung angeboten.
    Als er an dem grauen Gewirr von Arbeitsnischen vorbei zu seinem Schreibtisch schritt, nahm die Anzahl der Kollegen, deren morgendliche Begrüßungen und Geburtstagsglückwünsche er erwidern musste (die dicke Sue aus der Buchhaltung, die kleine Marion aus dem Export), noch zu. Vor langer Zeit – etwa ein Jahr nach seinem ersten Arbeitstag – hatte er einen Augenblick lang daran gedacht, zu kündigen. Daran, zur Uni zu gehen, zu studieren – so etwas. Aber Pauline war von dieser Idee nicht gerade angetan gewesen. Drei oder vier Jahre als bettelarmer Student. Was genau sollte das bringen?
    Mit einem Seufzer setzte er sich an seinen Schreibtisch und begann, die Aktenstapel umzusortieren: rosafarbene, gelbe und grüne Formulare, Lieferscheine, Zollpapiere, Rechnungen, die mit Auftragsnummern versehen werden mussten. Dieser riesige Berg an Papierkram, der jedes Mal entstand, wenn ein Gabelstapler aus der Fabrikhalle unter ihm rollte und irgendwo in die Welt verfrachtet wurde. Er stupste seine Maus an, und der Bildschirm flackerte auf. Sein Bildschirmschoner war ein Foto des berühmten achtzehnten Lochs in St. Andrews: ein Meer aus grünem Rasen, aus dem der graue Stein der Swilcan-Brücke herausragte. Die Uhr in der Bildschirmecke zeigte dreizehn Minuten nach neun.
    Von seinem Büro aus blickte er auf die schartige Backsteinmauer eines alten Lagerhauses, das seit den späten Achtzigern leer stand. Am anderen Ende der Mauer, ziemlich weit unten, verblasst, aber immer noch klar zu erkennen, hatte jemand mit silberner Sprühfarbe ein anderthalb Meter hohes Strichmännchen geschmiert. Genauer gesagt ein »Strichweibchen«, denn die Figur besaß zwei gigantische, unförmige Brüste. Die Nippel – offensichtlich erst nachträglich hinzugefügt, vielleicht hatte der
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