Carlotta, Band 4: Carlotta - Internat und Prinzenball (German Edition)

will.“
    Carlotta dreht sich wieder um. Niko legt seine Hände auf ihre Schultern.
    Er hat Recht, denkt sie. Besondere Bilder bewahrt man am besten im Kopf und im Herzen auf. Da sind sie sicher. Niemand kann sie einem wegnehmen. Sie können niemals verblassen oder verloren gehen.
    Sie lehnt sich gegen Niko und kann seinen Herzschlag spüren. Es ist ein schönes Gefühl. Es fühlt sich so schön an, dass sie sich wünscht, sie könnten für immer so stehen bleiben.
    „Darf ich dich küssen?“ Nikos Stimme klingt heiser und ein kleines bisschen schüchtern. Ziemlich niedlich jedenfalls.
    Noch während Carlotta fieberhaft überlegt, was man auf so eine Frage wohl am besten antwortet – ja, nein, vielleicht, mal sehen oder nö, lieber doch nicht –, dreht Niko sie sanft zu sich herum. Carlotta hat gerade noch Zeit zu nicken, dann schließt sie die Augen und spürt im selben Augenblick Nikos weiche Lippen auf ihrem Mund. Das Gefühl, das sie dabei hat, toppt den Vollmond, die Schokoladentorte, eine Million Gummibärchen, Achterbahnfahren und alles andere auf der Welt. Es ist das tollste Gefühl überhaupt. Da ist sie sich absolut und hundertprozentig sicher.

    Eine halbe Stunde später tanzt Carlotta durch den langen Flur bis zu ihrem Zimmer. Sie dreht eine kleine Pirouette und bleibt vor der Tür mit der Nummer 128 stehen. Im Schloss ist Ruhe eingekehrt. In den Gängen brennen die Notlichter und tauchen alles in ein geheimnisvolles Licht. Niko hat sie noch bis zur Treppe begleitet. Danach ist er im Schutz der Dunkelheit davongehuscht.
    Fast wie der Geist eines Märchenprinzen, denkt Carlotta kichernd und schlüpft schnell ins Zimmer.
    Im Schein einer Taschenlampe hocken Manu und Sofie nebeneinander auf Sofies Bett und grinsen ihr entgegen.
    „Wir dachten schon, du kommst gar nicht mehr!“, schimpft Manu leise.
    „Hattest du ein schönes Rendezvous?“, flüstert Sofie.
    Carlotta steigt aus ihren Schuhen, schält sich aus ihrem Kleid und hängt es vorsichtig auf einen Bügel. „Oh ja!“, sagt sie lächelnd.
    An dem kleinen Waschbecken neben der Tür putzt sie sich schnell die Zähne. Dann wischt sie sich mit einem feuchten Waschlappen das Make-up aus dem Gesicht und bürstet sich zum Schluss noch die Haare. Anschließend schlüpft sie in ihren Schlafanzug und klettert zu ihren Freundinnen in das schmale Bett.
    „Danke, dass ihr auf mich gewartet habt!“
    „Ehrensache“, meint Manu.
    Sofie nickt.
    Carlotta kuschelt sich in das Kissen, das Manu ihr großzügig hingeschoben hat. Ihre Füße steckt sie unter Sofies Decke.
    „War das nicht ein toller Abend?“, fragt sie.
    „Jo, das Büfett war echt klasse“, nickt Manu und gähnt.
    Sofie seufzt glücklich. „Es war einfach wunderherrlich!“
    Carlotta kichert über die lustige Wortkonstruktion. Gleichzeitig fliegen in ihrem Kopf tausend Gedanken hin und her. Die meisten davon haben mit Niko zu tun. Niko, Niko, Niko, singen die Schmetterlinge in ihrem Bauch. Carlotta versucht sie zum Schweigen zu bringen, aber sie tirilieren einfach weiter.
    Neben ihr fängt Manu plötzlich an zu schnarchen. Sofie lehnt ihren Kopf gegen ihre Schulter.
    „Ich bin so müde“, flüstert sie. „Wir können uns morgen alles erzählen. Oui?“
    „Klar“, flüstert Carlotta zurück. „Schlaf gut!“
    „Bonne nuit.“ Sofies Antwort ist kaum mehr als ein Murmeln.
    Carlotta angelt nach der Taschenlampe und knipst sie aus. Der Vollmond wirft sein blasses Licht ins Zimmer. Im Schlosspark ruft eine Eule. Es klingt geheimnisvoll und ein bisschen schaurig.
    Carlotta lächelt. Was für eine Nacht! Sie ist viel zu aufgeregt, um ans Einschlafen zu denken, und gleichzeitig viel zu faul, um aufzustehen und in ihr eigenes Bett zu krabbeln. Es ist so gemütlich hier! Kuschelig und warm. Sie lauscht auf das gleichmäßige Atmen ihrer Freundinnen. Manu schmatzt leise im Schlaf. Carlotta grinst, als sie es hört. Bestimmt träumt Manu von dem kalten Büfett. Und Sofie? Ob sie vielleicht von Brendan träumt?
    Sofie hat Recht, denkt Carlotta. Wir können uns morgen alles erzählen.
    Behaglich seufzend rutscht sie ein Stück tiefer unter die Decke und schließt die Augen. Sie denkt an den nächsten Tag und freut sich darauf. Auf ihren Vater. Auf Niko. Auf alles.

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Dagmar Hoßfeld

    Als Kind wollte Dagmar Hoßfeld Tierärztin, Bäuerin oder Gestütsbesitzerin werden.