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Cäsar

Cäsar

Titel: Cäsar
Autoren: Gisbert Haefs
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erfreut: Der edle Gorgonius hielt sich eben den Unterarm. Du hast einen harten Griff.«
    »Wie du selbst fühlen kannst.« Aurelius packte zwischen den Gitterstäben hindurch das Wollgewand des Mannes und zog ihn näher ans Tor. »Bei Caesars prätorischer Kohorte sagt man, für den Nahkampf seien drei Bewegungen nötig. Den Gegner heranziehen, ihm das Schwert in den Bauch rammen und ihn von sich stoßen. Wenn du endlich mit dem Geldzählen beginnst, können wir uns den zweiten und dritten Punkt schenken.«
     
    Ciceros ehemaliger Sklave Tiro, der sich seit seiner Freilassung vor einigen Monaten Marcus Tullius Tiro nannte, empfing Aurelius nicht mit jener Freundlichkeit, die man ihm nachsagte. Es war früher Nachmittag, Tiro wirkte müde und mürrisch, und eigentlich war Klienten und Bittstellern der Vormittag vorbehalten. Aber Aurelius hatte nachdrücklich und lautstark auf den edlen Konsular und Redner verwiesen, in dessen Auftrag er gekommen sei.
    »Was für ein Auftrag?« sagte Tiro, als Aurelius vor seinem Schreibtisch stand.
    »Dieser hier.« Aurelius reichte ihm den Vertrag.
    »Ah. Du bist das. Es ist gut, ihr könnt gehen.«
    Aurelius wandte sich um. Halb hinter Vorhängen verborgen, standen links und rechts der Tür zum Atrium Bewaffnete: ledergekleidete Sklaven mit kurzen Stichlanzen und Schwertern. Geräuschlos verschwanden die beiden Männer in einem zuvor unsichtbaren Gang, der zwischen der Mauer zum Atrium und der Innenwand des großen Arbeitsraums lag.
    »Ich hatte mich auch gewundert«, sagte Aurelius.
    »Worüber?«
    »Daß bloßes Zetern mich zu dir bringt, ohne Durchsuchung oder Wächter als Begleitung. Rom ist unsicher in diesen Tagen, und auch Tiro wird sich vorsehen müssen.«
    Tiro entblößte die oberen Schneidezähne in einem freudlosen Lächeln. Es war eher eine Grimasse. »Du irrst. Ehe man dich zu mir gebracht hat, bist du… gründlich betrachtet worden.« Er hob ein Wachstäfelchen vom Schreibtisch und las vor: ›»Soldat, hinkt, Messer im Gürtel, kein Bettler.‹ Ein hinkender Soldat, der sein Messer offen trägt, erregte meine Neugier. Und bis ich wußte, wer du bist, wollte ich mich absichern.
    - Also der Vertrag. Wie hast du dir die Zahlung vorgestellt?«
    »Da Cicero und Volturcius wollen, daß ich nach Gallien reise, dachte ich an eine Zahlungsanweisung für einen eurer Geschäftsfreunde in Massilia oder Narbo. Und einen Teil in Münzen, um die Reise zu bezahlen.«
    Tiro nickte und deutete auf einen Schemel. »Setz dich. Das will bedacht sein. Wie willst du reisen?«
    »Caesar hält sich, glaube ich, wie immer im Winter in Norditalien auf. Entweder reise ich zu ihm und dann mit ihm nach Gallien, oder gleich nach Gallien.«
    »Man weiß nicht, was in den nächsten Tagen geschieht.« Tiro schob die Unterlippe vor. »Falls etwas geschieht, könnte Caesar schneller aufbrechen, früher als vorgesehen.«
    »Dann wäre ich in Norditalien am falschen Ort«, sagte Aurelius. »Aber was sollte geschehen?«
    Tiro lachte trocken. »Es geschieht so viel… Es gibt Gerüchte aus Gallien, über Vorbereitungen für einen großen Aufstand. Und was in Rom geschieht, wer weiß das denn?«
    »Man muß mit allem rechnen.« Zum Beispiel mit Dingen, sagte sich Aurelius, bei denen dicke Mauern und Gänge zwischen Wänden sinnvoll wären. Dieses Haus am Südhang des Palatium, in dem Tiro über Ciceros Geschäfte wachte und der Politiker, wenn er in der Stadt weilte, ungestörte Nächte verbringen konnte, war neu, aufwendig, eher der Sicherheit als dem Wohlleben dienlich. Eine Vordertür mit eisenbeschlagenen Holzflügeln, dahinter der Gang zum Atrium, von dem aus man in die anderen Räume gelangte. Vermutlich gab es eine weitere gesicherte Tür auf der Hangseite, zum Garten hin, aber - soweit er hatte sehen können - keine Fenster im Erdgeschoß. Wahrscheinlich hatte Cicero diese Festung bauen lassen, als er vor fünf Jahren aus der Verbannung heimkehrte und eine bescheidene Unterkunft brauchte, da sein Haus auf dem Palatium im Auftrag des Clodius beschlagnahmt und zerstört worden war. Andere Häuser, Mietshäuser, aus denen Cicero Einkünfte zog, waren nicht so sicher; man sagte, seine Satzperioden seien solider gefügt als die Löcher, in denen Plebejer leben und sterben durften, solange sie zahlten. Hin und wieder stürzte eines in sich zusammen oder brannte ab, und es hieß, Cicero habe sich über lästige Leichen beklagt, deren Bergung den schnellen billigen Neubau ungebührlich behinderten.
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