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Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Kaufmann stellte den Leuchter auf den Kamin, zog seinen Schlafrock zusammen und holte mechanisch seiner Frau ihren flanellenen Unterrock.
    »Hier, mein Herz, zieh ihn an«, sagte er. »Zweiundzwanzig zu achtzehn,« fuhr er in seinem Monologe fort, »wir können einen prachtvollen Salon haben.«
    »Aber, Birotteau, bist du denn verrückt geworden? Träumst du?«
    »Nein, mein Kind, ich rechne.«
    »Wenn du Dummheiten machen willst, dann warte wenigstens, bis es Tag ist«, rief sie aus, befestigte ihren Unterrock unter der Nachtjacke und ging die Tür des Zimmers öffnen, in dem ihre Tochter schlief.
    »Cäsarine schläft,« sagte sie, »sie wird uns nicht hören. Und nun, Birotteau, rede endlich. Was hast du denn?«
    »Wir können den Ball geben.«
    »Einen Ball geben? Wir? So wahr ich eine anständige Frau bin, du träumst, mein Lieber.«
    »Ich träume nicht, mein Herzchen. Höre, es ist nötig, so zu handeln, wie man es der Stellung, die man einnimmt, schuldig ist. Die Regierung hat mich ans Licht gezogen, ich gehöre zur Regierung; wir sind verpflichtet, ihre Grundsätze zu studieren und ihre Absichten zu unterstützen, indem wir sie deutlich machen. Der Herzog von Richelieu hat es jetzt erreicht, daß die fremden Truppen Frankreich räumen. Herr von la Billardière wünscht, daß die Beamten, die die Stadt Paris repräsentieren, ein jeder in der Sphäre seiner Beziehungen, die Befreiung des Landes feiern sollen. Wir wollen den wahren Patriotismus zeigen, über den der der sogenannten Liberalen, dieser verdammten Intriganten, erröten soll, was? Denkst du, daß ich mein Vaterland nicht liebe? Ich will den Liberalen, meinen Feinden, zeigen, daß den König lieben, Frankreich lieben heißt!«
    »Du glaubst also, daß du Feinde hast, mein Lieber?«
    »Aber gewiß, liebe Frau, wir haben Feinde. Und auch die Hälfte unsrer Freunde in diesem Stadtviertel ist uns feindlich gesinnt. Alle sagen sie: Birotteau hat Glück, Birotteau ist ein Mann von niedriger Herkunft, und gleichwohl ist er jetzt Beigeordneter; alles gelingt ihm. Nun, sie werden sich noch mehr aufregen. Du aber sollst jetzt als erste erfahren, daß ich Ritter der Ehrenlegion geworden bin: der König hat gestern die Ernennung unterzeichnet.«
    »Oh,« sagte Frau Birotteau ganz gerührt, »dann müssen wir allerdings einen Ball geben, mein Lieber. Aber weswegen hat man dir denn das Kreuz verliehen?«
    »Als mir gestern Herr von la Billardière die Neuigkeit mitteilte,« erwiderte Birotteau verlegen, »da habe ich, wie du, mich auch gefragt, welches Anrecht ich denn darauf hätte; als ich aber heimging, ist es mir schließlich doch klar geworden und ich habe der Regierung zugestimmt. Erstens bin ich Royalist und bin vor Saint-Roch verwundet worden; bedeutet es nicht schon etwas, wenn man sieht, daß einer in jenen Zeiten für die gute Sache mit den Waffen eingetreten ist? Dann habe ich, nach der Meinung verschiedener Kaufleute, meine amtliche Tätigkeit zu allgemeiner Zufriedenheit ausgeübt. Schließlich bin ich Beigeordneter, und der König bewilligt der städtischen Verwaltung vier Ehrenkreuze. Nach Prüfung der Persönlichkeiten der Beigeordneten, die für die Auszeichnung in Frage kommen konnten, hat mich der Präfekt als ersten auf die Liste gesetzt. Übrigens muß mich der König kennen: dank dem alten Ragon liefere ich ihm das einzige Puder, das er gebrauchen mag; wir allein besitzen das Rezept dieses Puders der hochseligen Königin, dieses teuren erhabenen Opfers! Der Bürgermeister hat mich nachdrücklichst empfohlen. Was willst du also? Wenn der König mir das Kreuz verleiht, ohne daß ich ihn darum gebeten habe, so, meine ich, kann ich es nicht gut ablehnen, ohne den Respekt gegen ihn zu verletzen. Habe ich verlangt, Beigeordneter zu werden? Und deshalb, liebe Frau, da uns ein günstiger Wind von hinten treibt, wie dein Onkel Pillerault sagt, wenn er vergnügt ist, bin ich entschlossen, alles bei uns in Einklang mit unsrer hohen Stellung zu bringen. Wenn ich etwas zu bedeuten vermag, dann will ich auch wagen, das zu werden, was der liebe Gott noch mit mir vorhat, selbst Unterpräfekt, wenn das meine Bestimmung ist. Du bist sehr im Irrtum, meine Liebe, wenn du meinst, ein Bürger habe dem Vaterlande gegenüber seine Pflicht getan, wenn er zwanzig Jahre lang Parfümerien denen, die sie verlangt haben, verkauft hat. Wenn der Staat unsre Einsicht in Anspruch nehmen will, so schulden wir sie ihm ebenso, wie wir ihm die Mobiliarsteuer, die Tür- und
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