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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind
Autoren: Jakob Melander
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Kühlerhaube fraß die weißen Streifen.
    Sie fuhren an der Abfahrt nach Køge vorbei, als Sannes Telefon klingelte.
    »Lau hier. Ich wurde von dieser Nummer aus angerufen?«
    »Professor?« Sanne richtete sich auf. »Sanne Bissen, Polizei Kopenhagen.«
    Professor Lau lachte.
    »Ach, Sie waren das? Womit kann ich helfen?«
    Sanne erzählte ihm von ihrem Gespräch mit Dr. Henkel.
    »Sagt Ihnen das was?«, endete sie. »Ach, ist es okay, wenn ich die Lautsprechertaste drücke? Ich sitze mit zwei Kollegen im Auto.«
    »Natürlich. Einen Augenblick.« Am anderen Ende der Leitung war es still. »Ja, jetzt, wo Sie es sagen«, begann Professor Lau dann. »Koes, unser alter Oberarzt: Sein Enkel war ein halbes Jahr im alten Westdeutschland als Okularist in der Lehre. Das war Anfang der sechziger Jahre, richtig, direkt nach dem Tod des Oberarztes. Aber es hat nicht funktioniert, er wurde wieder nach Hause geschickt. Da es sich um Koes’ Enkel handelte, haben wir ihm einen Job als Krankenträger im Krankenhaus verschafft, als er zurückkam. Ja, mehr war nicht möglich.«
    »Koes’ Enkel?« Sanne wagte kaum zu atmen. »Wie heißt er? Ist er noch immer im Krankenhaus angestellt?«
    Allan fuhr langsamer, um alles mitzubekommen. Ulrik lehnte sich von hinten über den Sitz.
    Es knisterte im Lautsprecher. Lau holte Luft.
    »Er hieß … John? Ich bin nicht sicher. Im Krankenhaus wurde behauptet, er sei in den letzten Kriegstagen in Koes’ Keller auf die Welt gekommen, am Tag der Befreiung. Koes hat angedeutet, dass es sich bei dem Vater um einen verwundeten englischen Piloten gehandelt hatte, den er in seinem Keller versteckt hielt. Aber das sind alles nur Gerüchte.«
    »War Koes Widerstandskämpfer?« Das würde die Husqvarna erklären.
    »Ha, er war ein regelrechter Kriegsheld. Noch am Abend des 4. Mai lieferte er sich ein Gefecht mit einer Gruppe von Hipo-Männern und tötete einen von ihnen. Diese Geschichte erzählte er oft. Nach dem Krieg wurde er ausgezeichnet und erhielt eine Medaille.«
    »Und … wo können wir Koes’ Enkel finden?«
    »Tja, soweit ich mich erinnern kann, hat er Mitte der Neunziger im Krankenhaus aufgehört. Seine Mutter wurde krank. Seither …« Lau ließ den Satz offen.
    Sie beendeten das Gespräch. Ulrik hatte bereits die Nummer des Gentofte Hospital herausgesucht.
    Zwei Minuten später klappte er sein Telefon zu und sah von Sanne zu Allan.
    »John Koes. Søbredden 14 … am Gentofte Sø.«

52
    Es dauerte weniger als zehn Minuten von der Egebjerg Allé bis Søbredden. Ein ständiges Dröhnen von der Autobahn, in dem lauen Sommerabend hingen ein scharfer Geruch nach Benzin und ein Gespinst aus feinen Partikeln.
    Lars parkte hinter Christians auberginefarbenem MG , öffnete das Handschuhfach und nahm eine Maglite heraus. Er stieg aus. Das Gewicht der Heckler & Koch im Schulterholster war ungewohnt. Leise schloss er die Wagentür. Hier musste es sein. Der MG hielt direkt vor der Einfahrt zu einem von der Straße nicht einsehbaren Grundstück.
    Aus den Fenstern der Villen am Søbredden fiel Licht in die Gärten. Gelächter und Gesang. Mittsommernachtsfeste. An diesem Abend würde es viele Feuer am Seeufer geben. Lars entspannte sich, versuchte, nicht zu denken. Nur zu registrieren.
    Er orientierte sich an dem morschen, halb verfaulten Holzzaun entlang der Einfahrt. Glücklicherweise hatte man nur den langen Weg bis zum Grundstück mit einer dicken Lage Kies bestreut, an den Rändern lag nur eine sehr dünne Schicht. Leise arbeitete er sich in den Garten vor, schob einen Zweig beiseite.
    Das Haus wuchs aus der Dunkelheit heraus und vibrierte vor ihm in der hellen Nacht.
    An den ersten Büscheln des ungepflegten Rasens blieb er stehen. In seiner Jackentasche klingelte das Telefon. Er trat einen Schritt zurück, ließ sich aufsaugen von den Schatten unter den wilden Haselnussbäumen, duckte sich am Holzzaun in der Einfahrt.
    »Sanne«, flüsterte er. »Hör mal …«
    »Nicht jetzt, Lars.« Motorlärm im Hintergrund. Sie war unterwegs. Irgendjemand sagte etwas. Ulrik? Sanne würgte ihn ab. »Sei ruhig und lass mich mit ihm reden.«
    »Sanne …« Lars schaute zum Haus hinauf. Dunkel brütete es auf seiner kleinen Anhöhe ganz hinten im Garten. »Ich stehe am Søbredden in Gentofte. Christian, Marias …«
    »Hast du gesagt, Søbredden? Hausnummer 14?«
    Lars sah sich um, die Nummer am Zaun, die unten an der Straße hing, war undeutlich und flimmerte in der Dunkelheit.
    »Ja, ich denke
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