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Blutkult (German Edition)

Blutkult (German Edition)

Titel: Blutkult (German Edition)
Autoren: Uwe Siebert
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einen Spalt breit öffnete sich die Tür.
    „ Ist er derjenige, der den kleinen Verus vor dem Flammentod bewahrte?“
    „ Ja, das ist er.“
    Die Tür öffnete sich ganz, und ein alter gebeugter Mann mit schlohweißem Bart und kahlem Haupt stand ihnen gegenüber. Er trug ein Gewand aus grauen Leinen, und ein Schaffell lag über seinen Schultern. Als die kalte Nachtluft ihm ins Gesicht blies, bibberte er und zog das Fell enger an sich.
    „ Kommt herein“, sagte er, „Ich bin Tilurian und heiße euch willkommen.“
    Auch Larkyen stellte sich vor und machte eine Verbeugung, wie er es in den östlichen Teilen der Welt als alten Brauch erlernt hatte.
    „ Wie geht es deiner Familie?“ fragte Regar.
    „ Mein Weib ist längst zu Bett“, antwortete Tilurian. „Ebenso die anderen, ich bin der einzige der noch wach ist. Ein Mann meines Alters benötigt nicht mehr so viel Schlaf.“
    Tilurian lächelte kurz, und seine trüben Augen musterten Larkyen.
    „ Du bist also der, der Hilfe leistete, als sie am nötigsten gebraucht wurde. So etwas gibt es selten. Du bist keiner von uns, und doch hast du dein Leben riskiert. Viele andere wären einfach weitergeritten.“
    Larkyen schaute sich in dem großen Haus um. Für ihn, der sein bisheriges Leben in der Steppe verbracht und in Jurten genächtigt hatte, waren die hohen Räume mit all ihrem Mobiliar noch immer etwas Fremdes.
    Nach einem längeren Schweigen sagte Tilurian: „Seltsames geschieht in diesen Tagen auf den Höhen des Pregarkammes. Gerüchte wurden laut, über böse Geister, die die westlichen Wälder heimsuchen. Sie sind es, die Furcht unter den Räubern säen und sie in die Täler treiben, um letzten Endes dort ihr Werk zu verrichten. Und nun, begegne ich dir, und deine Augen gleichen mehr denen eines Tieres als denen eines Menschen. Was geschieht hier, frage ich mich?“
    „ Böse Geister, sagst du? Was für Geister?“
    Regar winkte ab und sagte: „Das ist ein Märchen, Tilurian. Nur ein Märchen.“
    In schlichten Worten erklärte Larkyen seinen Besuch: „Ich habe ein Geschenk, das eine Mutter und ihren Sohn vor der Mittellosigkeit bewahrt.“
    Tilurian verzog das Gesicht vor Verwunderung.
    „ Etain und Verus schlafen längst“, sagte er mürrisch. „Ich werde ihnen dein Geschenk am morgigen Tag überreichen.“
    „ Lass mich die beiden sehen“, bat Larkyen.
    Der alte Tilurian und Regar sahen den Unsterblichen skeptisch an.
    Dann nickte Regar, und mit unverändert mürrischem Gesichtsausdruck führte Tilurian den Unsterblichen zur Zimmertür der beiden.
    Larkyen trat in den dunklen Raum und schloss die Tür hinter sich.
    Er hörte Etain und Verus atmen.
    Lautlos schlich er an Etains Bett und sah auf die schlafende Frau hinab. Die Dunkelheit konnte seine Augen nicht daran hindern, alles zu sehen.
    Es war lange her, dass er einer Frau beim Schlafen hatte zusehen können und hoffte, es war ein friedlicher Schlaf, frei von bösen Träumen. Mit ihrem schwarzen Haarschopf erinnerte sie ihn immer mehr an sein ermordetes Weib Kara.
    Lange Zeit verharrte er am Bett der Frau. Er war froh, ihnen geholfen und die Schuldigen bestraft zu haben.
    Erst jetzt, im Frieden der Nacht, wurde er sich darüber im Klaren, warum so manche Söhne und Töchter der schwarzen Sonne ihre übernatürliche Kraft in die Gunst der Menschen stellten – warum sie versuchten, in Zeiten der Not Beistand zu leisten.
    Sie halfen den Menschen, weil sie die Kraft dazu besaßen.
    Er, Larkyen, war der Gott der Rache, und er sann darüber nach, ob es möglicherweise eine seiner Bestimmungen war, die Schuldigen in einem Meer von Blut ertrinken zu lassen.
    Er legte den Beutel mit Edelsteinen neben das Bett der Frau.
    „ Genug Reichtum, um deinem Kind ein Heim zu bieten“, flüsterte er.
    Plötzlich zog jemand am Saum seines Umhangs.
    Er fuhr herum und blickte auf einen kleinen Jungen herab. Zu sehr war er in seinen Gedanken versunken gewesen, um das Erwachen und Näherkommen des kleinen Verus bemerkt zu haben.
    „ Wer bist du?“ fragte Verus.
    „ Schlaf weiter“, flüsterte Larkyen sanft.
    „ Ich bin Verus, und wer bist du?“ fragte der Junge. Trotz der Schrecken des vergangenen Tages schien ihn noch ein Hauch von kindlicher Unbeschwertheit zu umgeben.
    „ Wie heißt du?“
    Der Anblick des Kindergesichts mit den hellen runden Augen und der Stupsnase ließ Larkyen lächeln.
    „ Ist so dunkel hier drin“, murmelte Verus. „… kann dich gar nicht richtig sehen.“
    Mit tapsigen
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