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Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Titel: Blutherz - Wallner, M: Blutherz
Autoren: Michael Wallner
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Sam konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.
    »In früheren Zeiten, wenn die Festung angegriffen wurde, fanden alle Menschen der Umgebung im Inneren Zuflucht.« Richard brachte das Tier zum Stehen. »Ob heute hier jemand wohnt …« Er zuckte mit den Schultern.
    »Wollen wir mal reinschauen?«
    »Nicht«, warnte er. »Nicht absteigen, wenn es nicht unbedingt nötig ist.«
    »Was denn sonst? Willst du hoch zu Ross sitzen bleiben, bis wir erfroren sind?« Sie schwang ein Bein auf die andere Seite und wollte zu Boden springen. »Ich wette, dort drin wird geheizt.«
    Der Schmerz kam so unvermittelt, war so schneidend und grässlich, dass Sam mit einem lang gezogenen Schrei die Zügel fahren ließ, das Gleichgewicht verlor und gestürzt wäre, hätten sich ihr nicht zwei Gestalten in den Weg gestellt. Im Moment des Fallens, der ihr endlos erschien, nahm sie Kutten wahr, heller als ihre eigene. Ernste Augen waren unter den Kapuzen auf Sam gerichtet, kräftige Arme fingen sie auf. Die Ordensbrüder nahmen das schreiende Mädchen wie eine reife Frucht in Empfang. Ohne zu zögern, trugen sie Sam an den Türen und Treppen vorbei auf den nächsten Durchgang zu. Alles ereignete sich schnell und gespenstisch lautlos. Aus verdrehten Augen versuchte sie zu erkennen, was mit Richard geschah. Auch um sein Maultier hatten sich Mönche geschart. Das Mauergewölbe zog über Samantha vorbei, dann war wieder
der bleiche Himmel da, sie hatten den nächsten Hof erreicht. Der unausgesetzte Schmerz verhinderte jeden klaren Gedanken; Sams Leib war ihre größte Bedrohung, von diesem Leib ging nichts als Qual aus. Daher ließ sie alles mit sich geschehen, sie sah die Männer in den Kutten als Retter, die ihr bald Linderung verschaffen würden.
    Nachdem sie den Hof passiert hatten, tauchte ein Gebäude auf, das Düsternis verströmte; so als ob sich von dort ein langer Schatten über alles legte. Dieser Bau – aus zusammengekniffenen Augen nahm Sam es wahr – war unzweifelhaft eine Kirche. Musik drang aus dem Inneren, Musik, die aus einer fremden Welt zu stammen schien. Ich kenne das, durchfuhr es die Gepeinigte, ich habe es bereits einmal gehört. Aber noch etwas wurde ihr bewusst: Diese Töne erklingen mir zu Ehren, nur auf mich haben hier alle gewartet, ich bin das Objekt der Verehrung, zugleich aber bin ich das Opfer! Ein Schrei über ihr unentrinnbares Schicksal drang zum Himmel empor. Verzweifelter konnte eine Menschenseele sich nicht aufbäumen, doch unbeirrt trugen die Mönche sie auf den Kircheneingang zu und weiter ins Innere. Nach der eisigen Kälte da draußen umfing Sam hier angenehme Wärme. Es war auch feucht, das helle Geräusch von Wassertropfen, die von allen Seiten herabrieselten, legte sich über die Musik. Zugleich machte dichter Qualm das Atmen schwer. Sam wusste nicht, ob die zahllosen Kerzen, die das Gewölbe erhellten, diese Trübe erzeugten, oder war es das Räucherwerk, das in metallenen Becken verbrannt wurde?
    Als sie den Kopf ein wenig hob, entdeckte sie am anderen Ende des Kirchenschiffes den monolithischen Stein, schwarz und glatt, es war der Altar. Sie erwartete, dort von einer Priesterschar empfangen zu werden, erwartete, dass sich ihr Traum in allen Einzelheiten bewahrheitete. Doch nichts wies darauf
hin, dass ihr Körper auf dem Stein aufgebahrt würde, keine Opfergaben lagen bereit, auch die Schale mit dem Saft der Barhyaghtar-Kirsche fehlte. Der Stein war leer und unbefleckt.
    Plötzlich, als wären sie den Wänden entstiegen, traten von beiden Seiten Ritter heran. Auch sie trugen lange Gewänder, doch auf ihren Mänteln und Brustpanzern entdeckte Sam das Symbol des Drachen, Fortrius Zeichen. Mit wenigen Griffen befreiten die Ritter die Mönche von der Last der Schwangeren. Dreizehn Ritter hoben Samantha hoch über ihre Köpfe, auf gestreckten Armen trugen sie sie weiter.
    Mit mühsam verdrehten Augen versuchte sie, Richard zu entdecken. Einige Meter hinter ihr wurde er von mehreren Mönchen in die Kirche geführt und festgehalten. Sam verstand: Was nun auch geschehen würde, sie allein hatte es zu meistern, niemand durfte ihr beistehen, niemand in das Kommende eingreifen. Benebelt vom Qualm der Räucherbecken, ließ sie den Kopf wieder sinken. Ich habe mich auf diese Reise begeben, um mein drohendes Schicksal abzuwenden, dachte sie. Ich wollte die nötigen Kräfte gewinnen, um den Kampf zu bestehen. Nun aber bin ich dorthin geraten, wo sich alles erfüllt, wie es mein schlimmster Traum voraussah. Welche
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