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Blutfrost: Thriller (German Edition)

Blutfrost: Thriller (German Edition)

Titel: Blutfrost: Thriller (German Edition)
Autoren: Susanne Staun
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Ketchupähnliches rot glänzte. Ich drehte mich zur Küchenzeile um: noch mehr Teller mit Makkaroni- und Soßenresten, sieben leere Dosen Beefaroni, zwei kaputte Gläser, drei Plastikbecher. Überall dunkles Holz und rote Teller. Am hinteren Ende der großen Küche befand sich eine schmale, weiße Tür mit Glaseinsatz.
    Ich zuckte zusammen, als ein lautes Geräusch die Stille durchbrach, die im Haus herrschte. Irgendwo war etwas auf den Boden geknallt, aber ich konnte das Geräusch nicht lokalisieren oder erkennen, aus welcher Richtung es gekommen war. Wieder rief ich nach ihr. Doch die Stille hatte das Haus zurückerobert. Ich öffnete die weiße Tür und kam auf einen schmalen, eiskalten Flur, wo der Wind sich durch die undichten Fenster drückte. Am anderen Ende war eine weitere, weiße Tür. Ich öffnete sie vorsichtig, stand einen Moment lang mit der Klinke in der Hand da und blickte in den beinahe leeren Raum. Mein Atem stockte. Ich ließ die Klinke los und führte beide Hände zu meiner Brust, dorthin, wo das Herz war. Und dann, wie wenn ein Kind sich verletzt und es ein bisschen dauert, bis die Tränen kommen, schrie ich.

36
    Der Raum war groß, weiß und beinahe leer. In einer Ecke stand ein hölzernes Schaukelpferd. In einer anderen lagen Hunderte von Witty’s-Tüten. In der Mitte hing sie. Sie hatte die lila Hundeleine um den weißen Deckenbalken geschlungen und sich damit erhängt. Das Geräusch, das ich eben gehört hatte, musste der weiße Plastikstuhl gewesen sein, der jetzt unter ihren Füßen auf dem Boden lag. Wie viel Zeit konnte vergangen sein? Eine Minute? Zwei? Ich stürzte zu ihr, verharrte dann aber.
    Wenn man sich erhängte, meinte man es ernst, dann wollte man sterben. Man wünschte sich den Tod, weil es keinen Ausweg mehr gab. Eine Wirbelsäule, ein Herz, das Gemüt eines Kindes. Waren sie kaputt, gab es kein Zurück mehr. Irgendwann war es unmöglich, das zu bekommen, was wir uns so sehnsüchtig wünschten, und dann musste man sich etwas anderes wünschen.
    Ein leises Geräusch entwich ihrem Körper, ein Seufzen, nein, das musste ich mir einbilden. Mir wurde schwindelig, die Gedanken rasten durch meinen Kopf und brüllten.
    Wunschdenken. Der Gedanke an ein anderes Leben, ein neues Leben, war Wunschdenken gewesen. Es war Wunschdenken, dass sie jemals ein anderer Mensch werden könnte. Der Wind presste den Regen gegen die Scheibe, und plötzlich wurde mir klar, dass es Wunschdenken war, dass jemand mit dem Päckchen Kaugummi hinter ihr herlief, das sie absichtlich im Laden vergessen hatte.
    Es konnte nicht wahr sein. Ihr rechter Arm zitterte, und ich stürzte aus der Tür. In der Küche mussten doch Messer sein.
    Jene Sekunden, in denen ich in den Nebenraum rannte,Schublade um Schublade aufriss und schließlich das erstbeste Messer nahm, waren die glücklichsten meines Lebens. Es war wie ein Gleiten, schwerelos, als schwömme ich von Champagnerblase zu Champagnerblase. Gesichter erschienen vor meinem inneren Auge, um mich anzulächeln, gute Gesichter, die mir vergaben und denen auch ich in diesem wunderbaren, nicht enden wollenden Moment, in dem alles einfach und perfekt war, vergeben wollte.
    Mit meinem linken Arm drückte ich sie fest an mich und mit der rechten Hand schnitt ich die lila Hundeleine durch.

DANK
    Meinem makellosen Freund und »Story-Doctor« Kure.
    Meinem gewissenhaften und unentbehrlichen Rechtsmediziner, Mads Fyn Andersen.
    Leider nicht meinem, sondern Sara Blædels – danke, Sara, dass ich ihn mir ausleihen durfte – Oberarzt, Steen Holger Hansen, vom rechtsmedizinischen Institut in Kopenhagen, in den Medien bekannt als »der mutige Oberarzt«, der am eigenen Körper Versuche mit Rohrreiniger vorgenommen hat, der mir seine Wunden gezeigt und mich anschließend an seinen Versuchen hat teilhaben lassen.
    Den Rechtschemikern Helene Bendstrup Klinke, Elizabeth Rowe & Peter Franklin, Mich Vraa, Tessa Henglein, Mette Fugl & Anna Grue.

Informationen zur Autorin
    © Isak Hoffmeyer
    Susanne Staun , 1957 geboren, studierte Englisch und Literatur an der Universität von Kopenhagen und Journalistik in den USA. »Totenzimmer« wurde u. a. mit dem wichtigsten dänischen Krimipreis, dem Harald Mogensen Pris, ausgezeichnet und war für den renommierten skandinavischen Krimipreis nominiert.

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