Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutflüstern: Novelle (German Edition)

Blutflüstern: Novelle (German Edition)

Titel: Blutflüstern: Novelle (German Edition)
Autoren: Kim Harrison
Vom Netzwerk:
abziehen, wenn sie zurückkommt.«
    »Wahrscheinlich, aber ich wollte zuerst mit dir allein sprechen.«
    Ich drückte mit dem Ellbogen auf den Lichtschalter und schleppte seinen Koffer in sein altes Zimmer. Jetzt war ich froh, dass ich schon gestaubsaugt hatte. Dann drehte ich mich um und verschränkte die Arme, damit er nicht sah, wie angestrengt ich nach Luft schnappte. »Worüber?«
    Robbie hörte mir gar nicht zu. Er hatte seine Jacke ausgezogen und stand jetzt in einem schicken Nadelstreifenhemd mit Krawatte vor mir. Lächelnd drehte er sich langsam einmal im Kreis. »Es ist genauso wie früher.«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Du kennst doch Mom.«
    Er sah mich an. »Wie geht es ihr?«
    Ich starrte auf den Boden. »Wie immer. Willst du einen Kaffee?«
    Scheinbar ohne Anstrengung warf er den Koffer, den ich getragen hatte, auf das Bett. »Erzähl mir nicht, du trinkst schon Kaffee.«
    Einer meiner Mundwinkel wanderte nach oben. »Schweiß der Götter«, scherzte ich und trat näher, als er eine Seitentasche öffnete und eine offensichtlich teure Packung Kaffee hervorzog. Selbst wenn ich es nicht an der einfachen, umweltverträglichen Verpackung erkannt hätte, der himmlische Duft gemahlener Kaffeebohnen sagte alles. »Wie hast du das durch den Zoll bekommen?«, fragte ich und er lächelte.
    »Ich habe es angegeben.«
    Er schlang einen Arm um meine Schultern und zusammen schoben wir uns durch den schmalen Flur Richtung Küche. Robbie war acht Jahre älter als ich. Der einst unwillige
Babysitter hatte sich zu einem überfürsorglichen Bruder entwickelt, der dann vor über vier Jahren verschwunden war, um vor dem Schmerz zu fliehen, den der Tod unseres Dads hinterlassen hatte. Lange Zeit hatte ich ihn dafür gehasst und war neidisch darauf gewesen, dass er fliehen konnte, während ich zurückblieb und mich um Mom kümmern musste. Aber dann hatte ich rausgefunden, dass er Moms Psychiater bezahlt hatte. Plus einige meiner Krankenhausrechnungen. Jeder von uns half auf seine eigene Weise. Und es war ja nicht so, als hätte er hier in Cincinnati dasselbe Geld verdienen können.
    Robbie wurde langsamer, als wir die Küche betraten, und betrachtete schweigend die Veränderungen im Raum. Das Hängeregal mit den Kräutern war verschwunden, ebenso wie das Regalbrett voller eselsohriger Zauberbücher, die verschiedenen Keramiklöffel und die kupfernen Zauberkessel. Es war eine ganz normale Küche, und das war für Mom vollkommen anormal.
    »Wann ist das passiert?«, fragte Robbie, als er sich in Richtung der Kaffeemaschine in Bewegung setzte. Mit ihrem Milchschäumer, den speziellen Löffeln, dem Zucker und den drei verschiedenen Arten Kaffeepulver darauf wirkte sie wie ein Schrein.
    Ich setzte mich an den Tisch und scharrte mit den Füßen. Nach Dads Tod , dachte ich, sprach es aber nicht laut aus. Musste ich nicht.
    Ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus. Ich hätte gerne gesagt, dass Robbie unserem Dad ähnelte, aber abgesehen von seiner Körpergröße und seinem schmalen Körperbau hatte er nicht viel von Dad. Unsere roten Haare und grünen Augen kamen von Mom. Die Erdmagie-Fähigkeiten,
die ich hatte, kamen ebenfalls von Mom. Robbie war besser in Kraftlinienmagie. Darin war Dad fantastisch gewesen, er hatte in der Arkanen Abteilung der Inderland Security gearbeitet, kurz I.S.
    Schuldgefühle überschwemmten mich, und ich warf einen kurzen Blick zu der Bewerbung, die unter dem Serviettenstapel hervorlugte.
    »Also«, sagte Robbie gedehnt, nachdem er die Kanne ausgespült und das alte Kaffeepulver weggeworfen hatte. »Willst du zur Sonnenwende auf den Fountain Square? Ich habe schon seit Jahren nicht mehr gesehen, wie der Kreis geschlossen wurde.«
    Ich kämpfte darum, mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen – er hatte versucht, Karten für das Takata-Konzert zu bekommen. Dreck. »Sicher«, meinte ich mit einem Lächeln. »Aber dann müssen wir einen Mantel für dich finden.«
    »Vielleicht hast du recht«, antwortete er, während er vier Löffel Kaffeepulver abmaß, bevor er den letzten Löffel nach einem kurzen Blick zu mir wieder in die Tüte zurückschüttete. »Willst du stattdessen zum Konzert?«
    Ich richtete mich im Stuhl auf. »Du hast sie!«, quietschte ich und er grinste.
    »Jau«, sagte er, schlug sich gegen die Brust und fing dann an, in einer Tasche zu graben. Plötzlich wurde seine Miene besorgt. Ich hielt den Atem an, bis er zwei Karten aus der hinteren Hosentasche zog. Er hatte mich nur
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher