Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutflucht Evolution

Blutflucht Evolution

Titel: Blutflucht Evolution
Autoren: Loreen Ravenscroft
Vom Netzwerk:
der Seite hätte, um dieser trostlosen Stadt für einige Tage den Rücken kehren zu können, als sich wieder die Tür öffnete und ein weiterer Gast die Kneipe betrat. Bei seinem Anblick hielt ich den Atem an und mein Magen wollte bis zu den Knien rutschen. Für einen Moment nahm ich fast nichts mehr um mich herum wahr. Vor Anspannung ballte ich die Hände zu Fäusten, wobei sich meine Fingernägel in meine Handflächen bohrten. Doch auch das registrierte ich kaum.
    Ich hatte diesen Mann seit Wochen nicht mehr gesehen und die Hoffnung bereits aufgegeben, dass er sich hier noch einmal blicken lassen würde. In meinem Bauch breitete sich ein angenehmes Kribbeln aus. Schnell versuchte ich mich auf das Einschenken der Getränke zu konzentrieren, damit er mein rotes Gesicht nicht bemerkte. Zugleich verfluchte ich meine Schüchternheit. Er war mir schon einmal durch die Lappen gegangen. Ein zweites Mal wollte ich eine Chance nicht verspielen, falls sich überhaupt eine auftun würde.
    Prüfend ließ er den Blick durch den dunstigen Raum gleiten. Dieses wunderbare Beispiel männlicher Schönheit war um einiges größer als ich und bestimmt ein paar Jahre älter. Sein dunkelbraunes Haar war zerzaust und hätte dringend einen Schnitt nötig gehabt. Seinen Bart hatte er auch schon mehrere Wochen nicht mehr rasiert und unter seinen Augen befanden sich dunkle Schatten. Überhaupt wirkte er ziemlich erschöpft und ausgebrannt. Der wilde Anblick schockierte mich, unterschied er sich erheblich von seinem letzten Besuch. Seine Aura schien ebenfalls nicht mehr so hell zu strahlen wie bei unserer letzten Begegnung. Trotzdem machte er auf mich einen starken, fast schon animalischen Eindruck. Was wahrscheinlich an seinem gut gebauten Körper und den dunkelgrauen Augen lag, die etwas von einem lauernden Tier hatten. Nicht, dass ich jemals ein lebendes Raubtier gesehen hatte, außer kranke, streunende Hunde, die es irgendwie schafften in dieser ausgemergelten Stadt zu überleben.
    Als Kind hatte ich mit meinen Eltern ein Zoo-Museum besucht und dieser mysteriöse Mann erinnerte mich plötzlich an diesen fantastischen, exotischen Ausflug. Ein Beamer hatte einen scheinbar lebendigen, dreidimensionalen Tiger, der immer um die Besucher herumschlich, in den Ausstellungsraum projiziert. Ich war so fasziniert von der Schönheit und Geschmeidigkeit dieses Tieres gewesen, dass ich heute noch von diesem Tag träume. Genauso war es mir mit diesem Fremden ergangen.
    Als er vor mehreren Wochen zum ersten Mal den Laden meines Onkels betreten hatte, war es sofort um mich geschehen gewesen. Doch die wenigen Male, die er bei mir an der Bar gesessen hatte, war er so still und verschlossen gewesen, dass wir kaum ein paar Worte gewechselt hatten.
    Hoffentlich war er mittlerweile aufgetaut.
    Heute trug er ein ärmelloses graues Shirt und an seinen braungebrannten Armen erkannte ich deutlich feine weiße Linien, die wie Narben aussahen. Ich erinnerte mich nicht, dass sie mir das letzte Mal schon aufgefallen wären. Seine Jeans hatten auch schon bessere Tage gesehen, trotzdem sah dieser Kerl in meinen Augen umwerfend gut aus, vor allem, wie sich der Stoff um seine Muskeln spannte. Keine Ahnung, warum gerade ich so auf ihn reagierte, denn von den wenigen Gästen, die sein Erscheinen überhaupt registriert hatten, erntete er nur abfällige Blicke.
    Erneut bewunderte ich seinen gebräunten Teint, fand es aber ziemlich riskant, sich dermaßen ungeschützt den krebserregenden Strahlen der Sonne auszusetzen. Die Ozonschicht war schon ewig zerstört und von einem längerer Aufenthalt unter freiem Himmel war dringend abzuraten.
    Als sein Blick auf mich fiel, glaubte ich ein Lächeln auf seinen Lippen zu erblicken, worauf sofort meine Wangen in Flammen standen. Verflixte Schüchternheit!
    Der Typ hatte aber auch einen sinnlichen Mund, Teufel noch mal!
    Er schlenderte Richtung Bar, was meinen Puls zum Rasen brachte. Ich wollte ihm sofort seinen Lieblingsdrink mixen, zum einen, um mich von meiner Nervosität abzulenken, zum andern, da er nie etwas anderes getrunken hatte als einen
Blue Moon
. Mit zitternden Händen gab ich die Eiswürfel in den Shaker, mischte Gin, Blue Curacao und Ananassaft dazu – der leider kein natürlicher Fruchtsaft war, sondern aromatisiertes Wasser – und füllte alles mit Limonade auf.
    Als mein Schwarm am Ende der Theke Platz nahm, reichte ich ihm das Longdrinkglas mit dem blauen Getränk, das ich fest umklammerte. Es grenzte an ein Wunder,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher