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Bluterde

Bluterde

Titel: Bluterde
Autoren: Claudia Praxmayer
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eine eMail an Ian McAllister.
    Seine Antwort kam prompt.
     
    Jean Mudaku, alias »The Crocodile«, machte die Augen schmal und starrte hinüber zu dem glatzköpfigen Hügel, der sich hinter dem Fluss erhob. Schaufeln, Spitzhacken und Brechstangen hatten über die Jahre eine klaffende Wunde in seine Flanke gerissen. Aus der Ferne glich die Mine mit ihren Arbeitern einem gigantischen Termitenhügel. Durchlöchert von unzähligen Gruben und den Kanälen, die wertlose Erde nach unten in den Fluss spülten. Der Rebellenführer beobachtete das Meißeln, Schaufeln und Sieben, lauschte dem rhythmischen Geräusch der Grabstöcke. Nur eine dünne Schicht Erde musste abgetragen werden, um an das wertvolle Coltan zu kommen. Primitive Grabinstrumente reichten aus, das Erz aus dem Gestein zu lösen. Nach dem Auswaschen blieb grauer, matt schimmernder Kies in den Sieben hängen. Ein simples wie lukratives Geschäft.
    Gellende Schreie rissen ihn aus seinen Gedanken. Crocodile sah in den Himmel und machte einen Schritt unter das Dach seiner Hütte, um sich vor dem stärker werdenden Regen zu schützen. Während er die schnell wachsende Menschenmenge am Fuße des Hügels beobachtete, zündete er sich eine Zigarette an und inhalierte tief. Wie viel es wohl dieses Mal waren? Fünf? Zehn? Vielleicht sogar fünfzehn? Er sah sich nach Francois, seinem jüngeren Bruder, um, konnte ihn aber nirgends entdecken. Zu gerne hätte er mit ihm gewettet. Nicht wegen der fünf Dollar, sondern um etwas Abwechslung in die verregnete Dschungel-Monotonie zu bringen. Seine Zigarette war noch nicht einmal zur Hälfte verglüht, als einer seiner Leute durch den Regen auf ihn zustiefelte.
    »Gab wieder eine Schlammlawine, Boss«, sagte er und zeigte auf die Menschenansammlung.
    »Wie viele sind draufgegangen?«
    »Zwei oder drei. Sie graben noch nach ihnen.«
    »Idioten! Sie lernen es nie. Sieh zu, dass sich die anderen wieder an die Arbeit machen.«
    Crocodile schleuderte den Glimmstängel in eine Pfütze und scheuchte den Mann mit einer herrischen Geste vom Platz.
    Bereits zum zweiten Mal in dieser Woche war ein Teil des Hügels abgerutscht und hatte Arbeiter unter sich begraben. Und jedes Mal liefen sie wie Lemminge zusammen. Vollkommen sinnlos. Der rote Schlamm war erbarmungslos, füllte Lunge und Luftröhre, zerdrückte einen Brustkorb in Sekunden. Überlebende gab es so gut wie nie. Crocodile fluchte. Er mochte es nicht, wenn die Arbeit stillstand. Das kostete Geld. Sein Geld. Schließlich hatte er für das hier seinen lukrativen Posten bei der Ruandisch Patriotischen Front aufgegeben. Um in diesem Drecksloch Geld zu scheffeln. Und um sich sein eigenes Reich zu erschaffen. Schüsse peitschten durch die Luft. Crocodiles Mundwinkel zuckten nach oben. Seine Männer waren gut darin, sich Respekt zu verschaffen. Ohne hinzusehen, wusste er, dass sich die Menschenmenge zerstreut hatte. Er zog die Hosenbeine seiner Uniform sorgfältig hoch und ließ sich wieder auf dem Sessel vor seiner Hütte nieder. Drinnen hörte er die Camphure den Boden fegen. Vielleicht sollte er sie vögeln. Aber er verwarf den Gedanken sofort wieder. Lieber nahm er sich eine, die nicht für jeden die Beine breitmachte. Beim nächsten Beutezug ließ sich bestimmt etwas nach seinem Geschmack auftreiben. Er sah das junge Ding vom letzten Mal vor sich: lange Beine, herrlicher Hintern. Er leckte sich die Lippen.
    Verdammt! Wo blieb Francois nur? Er wollte mit ihm noch einmal über die Affenforscher sprechen. Die drei abgeknallten Gorillas würden die Schnüffler eine Weile von der Mine fernhalten, aber er hatte schon zu viel über den sturen Wissenschaftler gehört. Blutegel, nannten ihn seine Quellen in Bukavu. Einer, der sich in Probleme regelrecht verbiss. Crocodile grunzte. Gegen Blutsauger half nur Feuer oder Salz. Eine Idee formte sich in seinem Kopf. Er lächelte in sich hinein.

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    3. KAPITEL
    Gorilla Talk 18
    Gorilla-Massaker im Kahuzi-Biega-Nationalpark
    … Alle drei Gorillas wurden erschossen. Ich kann immer noch nicht glauben, was da passiert ist. Wir sind alle völlig fassungslos! Unsere Gedanken sind bei Kimbangus Gruppe. Wenn ein Silberrücken stirbt, hat das Konsequenzen für die gesamte Gruppe. Wird sie von einem neuen Anführer übernommen, tötet dieser meist die jüngsten Nachkommen seines Vorgängers. So werden die Weibchen schneller paarungsbereit und der neue Silberrücken kann eigene Nachkommen produzieren. Möglicherweise verlieren wir also noch mehr
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